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23. Juli 2001. Analysen: Politik & Recht - Südasien NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit

Versuch einer kritischen Wertung

Das Phänomen der Nicht-Regierungsorganisationen oder Non-Governmental Organisations (NGOs) ist nicht leicht zu fassen. In den letzten zwanzig Jahren haben immer mehr dieser Organisationen die politische Bühne erobert. Tausende sind auf der ganzen Welt aktiv; kleine und große Organisationen, reiche und arme, angepaßte und kämpferische. Sie sind auf Spenden angewiesen. Sie begeben sich in die von Kriegen und Naturkatastrophen verwüsteten Landstriche, in Dörfer, die von industriellen Großprojekten bedroht sind, zu den Ärmsten der Armen. Einige ihrer Aktionen sind spektakulär, die meisten beharrliche Kleinarbeit.

Die Berliner Wochenzeitung Freitag veröffentlichte zu Beginn des Jahres 2000 eine Debatte mit dem Titel "Weltmacht NGOs?". Über mehrere Wochen erschienen Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren, die sich mit dem Phänomen der Nicht-Regierungsorganisationen auseinandergesetzt haben. Die Debatte wurde kontrovers und temperamentvoll geführt. Einige Beiträge entwarfen ein geradezu idyllisches Bild, wie NGOs ihr segensreiches Wirken entfalten, andere gaben sich entschlossen, ihnen Unfähigkeit und Versagen nachzuweisen. Während eines mehrmonatigen Praktikums im Social Work and Research Centre (SWRC) Tilonia, eine 1972 von Bunker Roy gegründete indische NGO, hatte ich die Möglichkeit, mich vor Ort mit Geschichte, Struktur, Arbeitsweise sowie den entwicklungspolitischen Zielen einer Nicht-Regierungsorganisation auseinanderzusetzen.

Meine persönlichen Erfahrungen in Tilonia haben mich angeregt, noch einmal einige Punkte dieser Debatte aufzugreifen und zu diskutieren. Dabei geht es mir neben der Frage nach der Rolle der NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit vor allem um mögliche Probleme ihrer Arbeit. Bevor ich mich jedoch diesen Punkten zuwende, werde ich versuchen, den Begriff Nicht-Regierungsorganisation im entwicklungspolitischen Kontext näher zu bestimmen.

Zum Begriff Nicht-Regierungsorganisation

Eine weltweit akzeptierte Definition des Begriffs Nicht-Regierungsorganisation konnte sich bis heute nicht durchsetzen. Der Begriff weist allenfalls auf die Nicht-Staatlichkeit der Organisationen hin, sagt darüber hinaus aber nicht aus, worin die identitätsbestimmenden Merkmale einer NGO liegen. Im folgenden gehe ich nicht explizit auf typologische und inhaltliche Unterscheidungen von Nicht-Regierungsorganisationen ein, vielmehr beziehe ich mich auf Grundannahmen über Eigenschaften und Fähigkeiten, die sich in der entwicklungspolitischen Diskussion durchgesetzt haben und die den Begriff NGO enger umreißen.

Die indischen Autorinnen Ranjani K. Murthy und Nitya Rao klassifizieren Organisationen als entwicklungspolitisch tätige NGOs, wenn sie bestimmte Charakteristika aufweisen, die sich im wesentlichen in vier Punkten zusammenfassen lassen (Vgl. Murthy/Rao 1997: 6):

  • Die Gründung erfolgt von Privatpersonen beziehungsweise privaten Initiativen auf der Basis von Freiwilligkeit, das heißt, ohne die Einflußnahme von Regierungsstellen. Diese Unterscheidbarkeit und Distanz gegenüber dem Staat ist fester Bestandteil des Selbstverständnisses der NGOs und zugleich eine wichtige Grundlage, um ein eigenes Profil entwickeln zu können.
  • Die Organisation ist im Entwicklungsbereich tätig, wobei die Funktionen von der technischen Assistenz über die Konzeption und Durchführung sozialer und ökonomischer Projekte bis zur Beschaffung von finanziellen Ressourcen aus dem Ausland reichen.
  • Die Organisationen sind dem Gemeinwohl verpflichtet, wobei der erwirtschaftete Profit, dazu zählen auch Einnahme aus Spenden und Entwicklungsfonds, ausschließlich der Organisation und ihren Zielen dient und nicht der Selbstbereicherung Einzelner.
  • Die Organisationen agieren im Rahmen bestehender Möglichkeiten und Gesetzgebungen relativ unabhängig, denn sie unterliegen weitaus weniger wirtschaftlichen und politischen Zwängen als staatliche Entwicklungsorganisationen.

Darüber hinaus werden Nicht-Regierungsorganisationen oft als Teil des sogenannten Dritten Sektors bezeichnet. Unter Organisationen des Dritten Sektors versteht man freiwillige Vereinigungen, die Aufgaben übernehmen, die gewerbliche Unternehmen oder die Regierung nicht oder nicht in ausreichendem Umfang erfüllen. Neben dem spezifischen Tätigkeitsbereich charakterisiert den Dritten Sektor die Abgrenzung gegenüber den Sektoren "Markt" und "Staat". Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch findet man eine Vielzahl von synonym gebrauchten Begriffen, wie Non-Profit Organisations, Private Voluntary Organisations, Voluntary Agencies oder People´s Organisations, durch die NGOs deutlich vom profitorientierten Privatsektor unterschieden werden (Nuscheler 1996: 498).

Dieter Neubert faßt in seinem Buch "Entwicklungspolitische Hoffnungen und gesellschaftliche Wirklichkeit" idealtypische Grundannahmen über die Fähigkeiten von NGOs zusammen. Er schreibt, NGOs erreichen aufgrund ihrer unmittelbaren Präsenz in Problemregionen eher als staatlich verwaltete Programme ihre Zielgruppen. Ihre Arbeitsschwerpunkte, wie Bildungs- und Ausbildungshilfe, Sozial- und Gesundheitshilfe oder Rechts- und Organisationshilfe, liegen im Kernbereich einer armutsorientierten Entwicklungspolitik. NGOs zeichnen sich durch ihren spezifischen Arbeitsansatz und ihre Erfahrung mit entwicklungspolitischen Aktivitäten aus. Sie arbeiten von "Menschen zu Menschen" (people to people) und damit vornehmlich personalintensiv und nicht kapitalintensiv. Sie fördern die Partizipation der Adressaten ihrer Arbeit, orientieren sich an deren Bedürfnissen, mobilisieren die Bevölkerung für Selbsthilfeaktivitäten und fördern soziale Gleichheit. Zugleich setzen sie auf angepaßte technische Lösungen und Strategien und arbeiten mit einem wesentlich geringeren Verwaltungs- und Lohnkostenaufwand als staatliche Durchführungsorganisationen. Ferner erschließen NGOs eigenständig Ressourcen für die Entwicklungspolitik durch Spenden, ehrenamtliche Tätigkeit beziehungsweise die Akzeptanz geringer Bezahlung. Durch ihren Zugang zur Öffentlichkeit fördern sie zudem die Akzeptanz für den entwicklungspolitischen Bereich (Neubert 1997: 31).

Die NGOs sehen sich selbst als wichtigen Teil des entwicklungspolitischen Geflechts mit der Funktion des kritischen Mahners und Innovators. Ihnen wird eine herausgehobene Stellung zugeschrieben, die ihre Rolle als entwicklungspolitischer Hoffnungsträger unterstreicht. Doch können NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit diesen Ansprüchen wirklich genügen?

Schwächen der NGO-Arbeit

Kritiker der NGO-Arbeit beziehen sich zumeist auf zwei zentrale Aspekte. Das ist einerseits das Problem der demokratischen Legitimität der NGO-Arbeit und andererseits die Frage der finanziellen und somit strukturellen Abhängigkeit der Organisationen. So spricht Jörg Bergstedt der NGO-Arbeit jegliche demokratische Legitimität ab (Bergstedt 2000: 12) und Peter Wahl ist der Auffassung, daß NGOs um einer kontinuierlichen Finanzierung willen, in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Spendern, Sponsoren und anderen Gebern geraten (Wahl 2000: 12). Weitere Schwächen beschreibt Manfred Kulessa: "Hier wäre z.B. die manchmal schon an Personenkult grenzende Dominanz von Gründer- und Führungspersönlichkeiten zu nennen, auch die gelegentlich fast sektiererische Überschätzung des eigenen Ansatzes. Schließlich sind auch NRO nicht frei vom Problem des Vorrangs eigener institutioneller Interessen (...) Und häufig fehlt leider auch die erforderliche Professionalität." (Kulessa 1993: 174)

Sicherlich sind diese Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen, doch meiner Ansicht nach müssen sie relativiert werden. So geht Lutz Schrader von der demokratischen Legitimation der NGO-Arbeit aus, denn ob eine politische Handlung demokratisch legitim, das heißt in ihrer sozialen Geltung rechtens ist, hängt in ersten Linie davon ab, ob ihr gesellschaftliche geteilte Werte zugrunde liegen und sie die Anerkennung der Bürgerinnen und Bürger genießt. NGOs unterstützen als basisdemokratische Akteure lokale Projekte, um alternative Politikansätze zu implementieren. Indem sie von der nationalen Politik vernachlässigte Themen in den Politikprozeß einbringen, schlagen sie eine Brücke zwischen der lokalen und nationalen Ebene. Die NGOs eröffnen so den Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche Wege, gegenüber Regierungen und Wirtschaft auf ihre Präferenzen aufmerksam zu machen. Diese Gemeinwohldienlichkeit des Netzwerkhandelns, ihre Vermittlungstätigkeit innerhalb und zwischen den verschiedenen Machtnetzwerken bildet ein entscheidendes Kriterium für die demokratische Legitimation der NGOs. Regierungen und Verwaltungen sind genötigt, NGOs zunehmend als Partner zu akzeptieren. Die Gründe dafür liegen in der sich immer stärker auffächernden thematischen Differenzierung politischer Entscheidungsmaterien und zugleich in der Partikularisierung von Interessenlagen, denn weder Parteien mit ihren generalisierenden Programmen noch nationale Interessenverbände werden diesen Herausforderungen noch gerecht (Schrader 2000: 12).

Bevor ich mich dem von Peter Wahl thematisierten Abhängigkeitsverhältnis von Nicht-Regierungsorganisationen zu ihren Gebern zuwende, möchte ich kurz auf ihre Finanzierung eingehen. Als Beispiel soll mir dabei das SWRC Tilonia dienen. Die Organisation finanziert sich wie nahezu alle NGOs zum größten Teil von außen, in diesem Fall zu 73 Prozent. Der Anteil ausländischer Geber, zu denen die Deutsche Welthungerhilfe, Plan International, UNESCO und United Nations Development Programme (UNDP) gehören, beträgt etwa 39 Prozent, die restlichen 34 Prozent deckt der indische Staat. 27 Prozent des Budgets stammen aus eigenen Ressourcen, wobei dieser relativ hohe Anteil nicht die Regel in der NGO-Szene darstellt. Vor allem in den Entwicklungsländern sind viele Organisationen ausschließlich auf ausländische Fördergelder angewiesen. Im SWRC fließen die Gelder zum größten Teil direkt in die Projektarbeit, denn die administrativen Kosten betragen nur 10,4 Prozent (Stand 1997-98), wovon nur etwa 4,5 Prozent auf Personalkosten entfallen. Leider entsprechen auch diese Zahlen nicht dem Durchschnitt, denn in den meisten Organisationen übersteigen Lohn- und Verwaltungskosten die Werte des SWRC um ein Vielfaches.

Da der Großteil des Budgets einer NGO durch externe Gelder gedeckt wird, müssen sich die Organisationen mit dem Vorwurf der finanziellen und damit verbundenen ideologischen Abhängigkeit von ihren Gebern auseinandersetzen. Vor allem die Förderung durch staatliche Institutionen birgt ein nicht zu unterschätzendes Risikopotential. Die Nicht-Regierungsakteure laufen Gefahr, besonders in den Bereichen Ökologie, Entwicklungs- und Sozialpolitik von den Regierungen instrumentalisiert zu werden. Emanzipatorische Ziele und Orientierungen können so aus dem Blick geraten und die in den Grundannahmen beschriebene Unterscheidbarkeit und Distanz gegenüber dem Staat würde nicht mehr bestehen (Wahl 2000: 12).

In seinem Buch "Nicht-Regierungsorganisationen und Entwicklungshilfe" geht Rodger Wegner davon aus, daß in vielen NGOs in den Entwicklungsländern die Bekenntnisse zu Partnerschaft, Demokratie und Self-Reliance lediglich Phrasen sind, um sich an programmatische und ideologische Vorgaben und Erwartungen ausländischer Gebergruppen anzupassen. So reagieren sehr viele Organisationen über den obligatorischen Verpflichtungskanon zur Selbsthilfe, Partizipation und Mobilisierung der Zielgruppen hinaus außerordentlich flexibel auf die jeweiligen entwicklungspolitischen Vorstellungen potentieller Geber (Wegner 1993: 30). Darüber hinaus kann die Art der Finanzierung in Entwicklungsländern sogar zu der Befürchtung führen, die ausländischen Geber könnten durch die Unterstützung bestimmter NGOs die Souveränität des jeweiligen Landes beeinträchtigen. Meiner Ansicht nach ist diese Angst nur teilweise begründet, denn zumeist sind die NGOs auf eine konfliktarme Zusammenarbeit mit den nationalen, vor allem aber den lokalen politischen Eliten angewiesen sind.

Zudem eröffnen die politische Rahmenbedingungen in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt nur begrenzte Handlungsspielräume für Selbsthilfeaktivitäten mit explizit politischer Dimension. Selbst wenn Mindestvoraussetzungen, wie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie ein gewisses Maß an Rechtssicherheit formal erfüllt sind, steht den in ihrem machtpolitischen Monopolanspruch herausgeforderten nationalen und lokalen Eliten ein breites Spektrum von Steuerungs- und Kontrollinstrumenten zur Verfügung. Dieses reicht von Registrierungs- und Koordinierungsauflagen über die bereits angedeuteten ökonomischen und politischen Kooptationsmechanismen bis zu weniger subtilen, repressiven Maßnahmen. Zahlreiche entwicklungspolitisch tätige NGOs ziehen daher ein unauffälliges, geographisch begrenztes und politisch wenig sensitives Wirken auf der dörflichen Ebene unterhalb der staatlichen Aufmerksamkeitsschwelle vor. Dort stellen sie zwar durch ihre Arbeit die sozialen und politischen Realitäten in den jeweiligen Projektregionen in Frage und eröffnen marginalisierten Bevölkerungsschichten neue Möglichkeiten, doch die Sozial- und Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft kann ihre Arbeit aufgrund der genannten Bedingungen nicht nachhaltig verändern (Wegner 1993: 31).

Des weiteren erscheint mir die Frage nach der Transparenz der Finanzströme wichtig. Woher kommen die für NGOs bestimmten Gelder? Wie werden Sie von den NGOs eingesetzt? Da viele Organisationen keiner oder nur einer kleinen Klientel Rechenschaft schuldig sind und Kontrollmechanismen fehlen, besteht die Gefahr, daß sie ihre eigentlichen Zielsetzungen aus dem Blick verlieren und sich ausschließlich der Sicherung ihrer institutionellen Eigeninteressen widmen. Um diese Vorwürfe zu entkräften bedarf es zweierlei Maßnahmen. Zum einen durch projektbegleitende externe Evaluierungen, zum anderen durch die Offenlegung aller finanziellen Transaktionen einer NGO. Leider führen Geberorganisationen Evaluierungen aufgrund der relativ hohen Kosten in der Regel nur selektiv und stichprobenartig durch. Externe Post-Evaluierungen, welche erst verläßliche Aussagen über die Nachhaltigkeit von Fördermaßnahmen ermöglichen würden, sind noch seltener. An dieser Stelle sei auf die Januar-Ausgabe 2001 der Zeitschrift E+Z – Entwicklung und Zusammenarbeit verwiesen, in der der Evaluierung nachhaltiger Wirkungen von Entwicklungszusammenarbeit ein Schwerpunktthema gewidmet ist.

Ein Punkt, an dem die NGOs selbst etwas zur Festigung ihrer Glaubwürdigkeit beitragen können, ist die Offenlegung ihrer finanziellen Ressourcen. Mitte der 1990er Jahre wurden beispielsweise die NGOs in Rajasthan zunehmend dem Vorwurf fehlender finanzieller Transparenz ausgesetzt. Die damalige Landesregierung unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP) stellte die Seriosität der NGO-Arbeit in Frage und beschuldigte sie der Veruntreuung in- und ausländischer Spendengelder, der Korruption und Vetternwirtschaft. Das SWRC Tilonia nahm als erste NGO Rajasthans die Herausforderung der Landesregierung an und legte im Juli 1997 im Rahmen eines Transparency Meetings sämtliche Konten offen. Man ermöglichte so eine unabhängige und öffentliche Finanzprüfung, die die Vorwürfe ad absurdum führte. Da vor allem in den Entwicklungsländern leider nur wenige NGOs diesem Beispiel folgen, bleibt die Skepsis gegenüber ihrer Arbeit weiterhin berechtigt.

Zum Schluß möchte ich noch auf die eingangs zitierten Vorwürfe Manfred Kulessas bezüglich "Personenkult" und "mangelnder Professionalität" innerhalb der NGOs eingehen. Sicherlich sind viele NGOs durch charismatische Führungspersönlichkeiten geprägt, wobei gerade in Entwicklungsländern dieses Phänomen häufig zu beobachten ist. Doch sollte man ihre Rolle nicht überbewerten. Zweifellos nimmt beispielsweise Bunker Roy, Gründer und Direktor des SWRC, innerhalb der Organisation eine Sonderrolle ein. Er genießt unter seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohes Ansehen, denn sie sind sich seiner Leistung in den vergangenen fast 30 Jahren bewußt. Doch die Verantwortung für die unterschiedlichen Projekte liegt ausschließlich in der Händen der einzelnen Abteilungen, deren Mitglieder anstehende Entscheidungen kollektiv beraten und treffen. Roy ist aber allein durch seinen Bekanntheitsgrad in der NGO-Szene und sein Charisma für die Öffentlichkeitsarbeit des SWRC und bei der Mobilisierung von Unterstützungsgeldern von unschätzbarem Wert. Auch die "Professionalität" möchte ich den NGOs nicht pauschal absprechen. Sicherlich wird ihre Arbeit in einigen Fällen durch binnenorganisatorische Schwächen gemindert, doch bei der Bewertung einer NGO sollten nicht immer die westlich geprägten Effizienzkriterien angelegt werden, denn der Alltag in den Entwicklungsländern unterscheidet sich meist grundlegend von unseren Vorstellungen von Leben und Arbeiten. Viele NGOs tragen durch einen unkonventionellen entwicklungspolitischen Ansatz diesen Unterschieden Rechnung.

Resümee

Es ist nicht möglich, ein einheitliches Urteil über Nicht-Regierungsorganisationen und ihre Arbeit zu fällen. NGOs als Gesamtkategorie zu fassen, ist nur eine Fiktion. Wenn es überhaupt Sinn macht, von "den" NGOs zu sprechen, dann lediglich aus dem Gesichtspunkt, daß ihre Arbeit im Rahmen des allgemeinen, gesellschaftlichen Machtgefüges erfolgt, dessen Teil sie sind. Aus diesem Grund macht es auch wenig Sinn, entwicklungspolitischen NGOs die gesellschaftlichen Machtverhältnisse vorzuwerfen oder sich von ihnen grundlegende Änderungen zu versprechen. Eine Bewertung der NGOs kann daher lediglich auf zwei Ebenen erfolgen. Zum einen auf der individuellen, indem man die konkreten Praktiken von NGOs untersucht und an ihren Ansprüchen und ihrem politisch-sozialen Kontext mißt. Zum anderen läßt sich auf einer weit allgemeineren Ebene prüfen, ob und inwieweit NGOs als Teil des Dritten Sektors zu einer funktionierenden, lebendigen Zivilgesellschaft beitragen. Dabei bedeutet Zivilgesellschaft, daß die Subjekte der Gesellschaft die Möglichkeit haben, ihre Interessen organisiert zum Ausdruck zu bringen, und es in einem gewissen Maße auch tun. NGOs sind in diesem Rahmen einfach zielgerichtete Zusammenschlüsse von Bürgerinnen und Bürgern (Hippler 2000: 12).

Zweifellos gibt es im Detail der konkreten Arbeit einer NGO viele Konflikte, Illusionen, Verdienste und auch Versagen. Dennoch bin ich der Meinung, daß ihr Handeln zuerst an den Ergebnissen gemessen werden sollte. Trotz der unterschiedlichen Kritikpunkte arbeiten viele entwicklungspolitische Nicht-Regierungsorganisationen erfolgreich und stellen so eine Ergänzung beziehungsweise eine Alternative zu staatlicher Entwicklungszusammenarbeit dar. Es bedarf jedoch einer gewissen Öffentlichkeit, um Mißwirtschaft und Korruption in der NGO-Szene zu verhindern. Vor allem in den Entwicklungsländern muß die Arbeit der NGOs in Zukunft transparenter werden. Das SWRC Tilonia ist durch die Öffnung seiner Konten einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Ohne diese Transparenz werden Nicht-Regierungsorganisationen auch zukünftig als Projektionsfläche herhalten müssen, um mal als Finsterlinge, mal als Lichtgestalten zu dienen.

Quellen

  • Kulessa, Manfred (1993): Entwicklungspolitische Strategien der NROs, in: Hauff/ Heinecke: Entwicklungsstrategien für die Dritte Welt, Verlag Wissenschaft & Praxis, Ludwigsburg/Berlin, S.169-185.
  • Murthy, Ranjani K./ Rao, Nitya (1997): Adressing Poverty. Indian NGOs and their Capacity Enhancement in the 1990s, Friedrich Ebert Stiftung (Hg.), New Delhi.
  • Neubert, Dieter (1995): Entwicklungspolitische Hoffnungen und gesellschaftliche Wirklichkeit. Eine vergleichende Länderfallstudie von Nichtregierungsorganisationen in Kenia und Ruanda, Campus Verlag, Frankfurt/Main.
  • Nuscheler, Franz (1996): Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, 4. Auflage, Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn.
  • Wegner, Rodger (1993): Nicht-Regierungsorganisationen und Entwicklungshilfe, Deutsches Übersee-Institut, Hamburg.

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