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15. Oktober 2006. Rezensionen: Indien - Wirtschaft & Soziales Zwischen Verzweiflung und Widerstand

Indische Stimmen gegen die Globalisierung

Gerhard Klas, der bisher etliche Beiträge über die Globalisierung, ihre Kritiker und Gegenbewegungen verfasst hat, führte Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von sozialen Basisbewegungen, Gewerkschaften, NGOs, linken Parteien und Organisationen. Die Gedanken seiner Interviewpartner, aber auch die zahlreichen Schicksale, denen er auf seiner Reise begegnet ist und die in ruhiger, aber sehr einprägsamer Weise mit in das Buch eingeflossen sind, zeigen die Verzweiflung angesichts der wirtschaftlichen Globalisierung, aber auch den sich formierenden Widerstand gegen sie.

Diese Wahrnehmungen Indiens stehen in einem starken Kontrast zu dem Bild, das in Gerhard Klas neuem Buch "Zwischen Verzweiflung und Widerstand. Indische Stimmen gegen die Globalisierung" gezeichnet wird. Klas, der Mitglied des Rheinischen Journalistenbüros in Köln ist und bisher etliche Beiträge über die Globalisierung, ihre Kritiker und Gegenbewegungen verfasst hat, bereiste im Jahr 2004 Indien und führte dabei Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von sozialen Basisbewegungen, Gewerkschaften, NGOs, linken Parteien und Organisationen. Er traf unter anderem Vandana Shiva, die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Sitaram Yechuri, den wichtigsten Repräsentanten der Communist Party of India (Marxist) in den indischen Medien und Kavita Krishnan, die Mitglied der nationalen Leitung der Communist Party of India (Marxist Leninist) Liberation ist. Klas sprach mit ihnen über die Globalisierung, ihre Folgen für Indien und die ganze Welt sowie über die Zusammenarbeit und Vernetzung einzelner Gruppen mit inländischen, aber auch ausländischen Partnern. Darüber hinaus sind aber auch die politische und soziale Lage sowie die historischen Entwicklungen auf dem Subkontinent, Aspekte wie Moderne, Nachhaltigkeit, Religion und Umweltschutz Themen, die im vorzustellenden Buch diskutiert werden. Die Interviews werden ergänzt durch Rahmengeschichten und umfassende Erläuterungen.

Der Autor will mit den Gesprächen, das wird schon anhand seiner Fragestellungen klar, dabei nicht bloß kritischen Positionen zur Globalisierung ein Forum geben, vielmehr scheint es ihm und seinen Interviewpartnern darauf anzukommen, Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaftsform mit der ihr immanenten sozialen, kulturellen und ökologischen Zerstörung aufzuzeigen. Viele dieser Alternativen, die nicht dem Prinzip der Konkurrenz, sondern dem der Solidarität verpflichtet sind, orientieren sich an der Idee einer nachhaltigen Entwicklung. Beispielhaft erläutert wird dies im Buch im Interview mit Murali Ramisetti, Mitarbeiter der NGO Modern Architects for Rural India (MARI), die sich für den organischen Anbau von Baumwolle einsetzt. Ramisetti erklärt, dass indische Bauern seit der Öffnung des Marktes leicht in einen Teufelskreis geraten würden. Die Bauern, die früher vor allem für den eigenen Bedarf produzierten, bauen heute hauptsächlich solche Feldfrüchte an, die Bargeld auf dem internationalen Markt einbringen können; gute Lebensmittel für die Familien bleiben dabei auf der Strecke. Zum Anbau der kommerziellen Kulturen, benötigen die Bauern, so Ramisetti, spezielles Saatgut, Pestizide und Kunstdünger, alles Güter, die viel kosten und für deren Finanzierung sie Kredite aufnehmen müssen. Die multinationalen Konzerne machen so Gewinne, während die Bauern aufgrund schlechter Ernten oder wegen niedriger Weltmarktspreise immer tiefer in die Schuldenfalle geraten. Deshalb, sagt Ramisetti, suchen die meisten Bauern nun nicht nur nach alternativen Produktionsmethoden, wie den Anbau von Baumwolle ohne künstliche Pestizide und Düngemittel, sondern beginnen auch ihren Protest gegen die Konzerne zu formulieren. Der Widerstand der Bauern gegen Agrobusiness, das wird in Klas Buch deutlich, artikuliert sich in ihrer Hinwendung zu Nachhaltigkeit, ökologischer Vielfalt und Selbstversorgung sowie in ihrer gleichzeitigen Abwendung von Exportorientierung, Biotechnologie und Genmanipulation.

Aber nicht nur die VertreterInnen konkreter Projekte, sondern auch Angehörige der sich allmählich immer stärker vernetzenden so genannten Bewegungen von unten kommen in Klas Buch zu Wort. So etwa auch Pradeep Kumar, der das Asian Social Forum organisierte, am Weltsozialforum in Mumbai teilnahm und seit 1992 Sekretär der All India Federation of Trade Unions (AIFTU) ist. Kumar, der im Interview viel von seinen Erfahrungen mit den Sozialforen berichtet, stellt die berechtigte Frage: "Wenn sich die Profiteure der Globalisierung zusammentun, warum nicht auch wir? Wir brauchen Solidarität."

Mit dem vorliegenden Buch ist Gerhard Klas eine eindrückliche Darstellung eines anderen, ebenfalls sehr realen Indiens gelungen. Die Gedanken seiner Interviewpartner, aber auch die zahlreichen Schicksale, denen er auf seiner Reise begegnet ist und die in ruhiger, aber sehr einprägsamer Weise mit in das Buch eingeflossen sind, zeigen die Verzweiflung angesichts der wirtschaftlichen Globalisierung, aber auch den sich formierenden Widerstand gegen sie.

Quelle: Gerhard Klas: Zwischen Verzweiflung und Widerstand. Indische Stimmen gegen die Globalisierung, Hamburg: Edition Nautilus, 2006. 153 S., 12,90 Euro, ISBN 3-894-01490-3.

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