Inhalt

09. Juni 2004. Nachrichten: Politik & Recht - Nepal Neue Marionette von König Gyanendra

Massenproteste in Nepals Hauptstadt

Nepal hat seit 2. Juni 2004 einen neuen Premier – wiederum berufen von König Gyanendra. Die Opposition betrachtet die erneute Einsetzung von Sher Bahadur Deuba, der das Land bereits von 1995 bis 1997 und 2001 bis 2002 regierte, als Versuch des Monarchen, die Proteste gegen sein autokratisches Regime abzuwürgen.

Die Antwort aus der Bevölkerung kam umgehend. Noch am gleichen Tag demonstrierten 15.000 Menschen auf den Straßen Kathmandus, dass sie das Manöver des Monarchen durchschaut haben. Sie riefen "Deuba ist eine Marionette des Königs" und bekundeten, sie würden höchstens einen "zeremoniellen Herrscher" akzeptieren.

Als der König am 7. Mai den von ihm ernannten Premier Surya Bahadur Thapa sang- und klanglos absetzte, keimte Hoffnung auf im Königreich, dass dies der erste Schritt zur Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen sein könnte und Chancen zur Wiederaufnahme der Gespräche mit den militanten maoistischen Rebellen eröffnen würde. Im Oktober 2002 hatte der Herrscher das Parlament aufgelöst, den gewählten Premier Sher Bahadur Deuba als "unfähig" gefeuert und eine Marionette zum Regierungschef gemacht.

Seitdem rollt eine Protestwelle nach der anderen durchs Land. Der Ruf nach Beseitigung der Monarchie wurde lauter und lauter. Auch das Auslandskapital signalisierte dem König Unmut über diese Herrschaftsform, die sich dreist über alle demokratischen Spielregeln hinwegsetzt. Nach Thapas Absetzung hielt Gyanendra die politische Opposition hin und ignorierte die Forderungen einer fast täglich demonstrierenden Menschenmenge, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Diese sollte Neuwahlen arrangieren und die Weichen für einen Dialog mit der Guerilla stellen.

Die stärkste Oppositionspartei, der Nepali Congress, dem Deuba angehörte, bis er seine eigene Fraktion (Nepali Congress-Democratic) bildete, lehnt eine Zusammenarbeit mit dem früheren Kollegen ab. Als dritter vom König ernannter Premier im Verlaufe von knapp zwei Jahren diene er lediglich der Verwirklichung der Interessen des Palastes, argumentiert die Parteiführung. Der König habe zwar Deuba wieder eingesetzt, jedoch "vergessen", das Parlament zu installieren und dem Volk die 1990 erkämpfte Macht zurückzugeben.

Die rechte Nationaldemokratische Partei und überraschend auch die KP Nepals (Vereinte Marxisten-Leninisten) zeigten sich hingegen bereit, in der Deuba-Regierung mitzuwirken. Vorerst jedoch legt ein Transportstreik das Land lahm. Ihm soll am 10. Juni ein dreitägiger landesweiter Generalstreik gegen die Ränke des Königs und seinen dritten Handlanger folgen.

Quelle: Der Beitrag erschien am 4. Juni 2004 in der Tageszeitung "Neues Deutschland".

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.