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10. März 2001. Nachrichten: Politik & Recht - Indien 14. indische Volkszählung nach drei Wochen abgeschlossen

Am 28. Februar 2001 ging in Indien die 14. Volkszählung zu Ende. Am darauffolgenden Stichtag schätzte das Zensus-Büro die Zahl der Bevölkerung auf Grundlage ihrer Hochrechnungen auf 1.012.395.934. Die ersten Ergebnisse des seit 1871/72 alle zehn Jahre stattfindenden bürokratischen Kraftaktes werden für Ende März erwartet.

Bereit im vergangenen Jahr waren sämtliche Haushalte der Milliarden-Nation erfaßt worden. Nun waren zwei Millionen Volkszähler, die meisten von ihnen Lehrer, drei Wochen lang ausgeschwärmt, um die 200 Millionen registrierten Haushalte in 5.500 Städten und 650.000 Dörfern zu interviewen. Mehr als 20 Fragen zur Person wurden gestellt: Alter, Geschlecht, Verwandschaftsverhältnisse, Religion, Muttersprache, Zugehörigkeit zu Scheduled Castes oder Tribes (SCs/STs), aber auch Migrationsverhalten, Bildung, Beruf und eventuelle Behinderungen waren für die staatlichen Datensammler von Interesse. Die Obdachlosen in den Slums der Großstädte wurden in den letzten beiden Nächten geschätzt.

Zum Auftakt betonte Präsident K.R. Narayanan die Bedeutung der Zählung als "Planungsinstrument" und rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, die richtigen Angaben zu machen. Unterstützt wurde sein Appell von führenden Politikern und Prominenten, wie Nobelpreisträger Amartya Sen.

Trotz aller Bemühungen wird die Auszählung nur ein unscharfes Bild liefern. Im erdbebenverwüsteten Gujarat wurde die Zählung abgesagt. In Kashmir, wo - wie in anderen Himalya-Regionen - bereits im letzten Jahr gezählt wurde, hatten Separatisten die Bevölkerung zum Boykott aufgerufen. Auch Hunderttausende der Besucher der Kumbh Mela dürften ungezählt geblieben sein. Besonders bemüht waren die Behörden diesmal, auch Daten zur Zahl der Mädchen und der Berufstätigkeit von Frauen korrekt zu erfassen. In der Vergangenheit ließen die Familienoberhäupter ihre Frauen oft nur als Hausfrauen registrieren und manche Töchter wurden schlicht vergessen, da ihnen keine Bedeutung zugemessen wurde.

Die Interpretation der Ergebnisse wird umkämpft sein. Die Daten sind als Grundlage für die Einteilung von Wahlkreisen und Verteilung von Entwicklungsgeldern gewichtiges Mittel im Kampf um Macht und Ressourcen. Vor der Unabhängigkeit instrumentalisierten die britischen Kolonialherren das Zahlenmaterial über Rassen, Religionen, Kasten und Ethnien, um ihre Politik des "Teile und Herrsche" zu stützen. Auch nach 1947 argumentierten kommunalistische Politiker mit Zensus-Daten, um Autonomieforderungen Nachdruck zu verleihen. 1981 boykottierte die einheimische Bevölkerung Assams die Zählung erfolgreich, da sie die Marginalisierung durch Immigranten fürchtete. Aus Furcht vor Konflikten wird seit Abzug der Briten auf die Frage nach der Kastenzugehörigkeit verzichtet - mit Ausnahme der SCs/STs, deren Förderung die Verfassung gebietet. Auch interessante, aber konfliktträchtige Details, wie die Alphabetisierung, die Kinderzahl oder die Berufsdiversifizierung der Religionsgruppen, werden nicht aus den gesammelten Daten ermittelt. Seit 1951 veröffentlicht die Zensus-Behörde nur eine einfache Tabelle, die den Anteil der Religion an der Bevölkerung nennt.

Bis die Berge von Fragebögen des 14. Zensus vollständig gesichtet sind, wird es Jahre dauern. Noch heute harren manche Ergebnisse der Volkszählung von 1991 der Auswertung.

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