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30. Mai 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Nepal Fast tausend Tote, Parlament aufgelöst, Congress gespalten

Es war die Stunde der Exekutive: Am 22. Mai 2002 löste Nepals König Gyanendra das Parlament auf und rief Neuwahlen aus. Auslöser der Regierungskrise war die Forderung von Premierminister Sher Bahadur Deuba, den Ausnahmezustand um weitere sechs Monate zu verlängern.

Seit dessen Ausrufung Ende November 2001 eskaliert der Bürgerkrieg: Allein Anfang Mai tötete die Armee innerhalb weniger Tage über 500 maoistische Aufständische bzw. "Sympathisanten". Damit starben in den letzten sechs Monaten doppelt so viele Menschen wie in den vorangegangenen knapp sechs Kriegsjahren, zusammen mindestens 4.000. Im Ausnahmezustand hatten Menschenrechtsverletzungen so massiv zugenommen, dass neben der parlamentarischen Opposition auch zunehmend Abgeordnete des regierenden Nepali Congress einer Verlängerung widersprachen.

Als sich im Parlament abzeichnete, dass die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kommen würde, erklärte Deuba am 26. Mai 2002 seinen Rücktritt. Der Bitte des Premiers folgend, löste der König das Parlament auf, verlängerte den Ausnahmezustand um weitere sechs Monate und rief für den 13. November Neuwahlen aus. Damit bleibt Deuba als Übergangspremier nun ein weiteres halbes Jahr im Amt. Unmittelbar nach dem Coup schloss der Congress Deuba und die im Amt verbliebenen Minister aus seinen Reihen aus.

Die Weigerung von Teilen des Congress, das Kriegsrecht zu verlängern, die folgende Parlamentsauflösung und daraufhin der Ausschluss des Premiers und seiner Getreuen, muss auch als vorläufiger Höhepunkt eines lange tobenden innerparteilichen Machtkampfes gedeutet werden. Seit Ende Mai ist der Congress faktisch gespalten.

Trotz aller Gewalt – auch Kathmandu ist mittlerweile Ziel von Anschlägen – ist die politische Klasse vor allem mit sich selbst beschäftigt. Derzeit versucht Congress-Vorsitzender Girija Prasad Koirala sein Comeback, Premier Deuba sammelt seine Getreuen, die Kommunisten fordern eine All-Parteien-Regierung, der König besucht Indien, wo er um weitere Unterstützung bittet. Die Armee – mit indischen Hubschraubern aufgerüstet und von amerikanischen Militärs beraten – verstärkt ihre Angriffe. Noch in den letzten Mai-Tagen wurden weitere 150 Menschen getötet.

Vieles spricht für eine Ausweitung der Kämpfe in den folgenden Monaten. Die Brutalität der letzten Monate – immer mehr Tote mit Folterspuren auf beiden Seiten – wird den Hass weiter aufschaukeln. Bei starkem Regen werden im kommenden Monsun viele Kasernen im Landesinneren vom Nachschub abgeschnitten sein, wie in den Vorjahren die Polizeistationen. Dagegen bringt der immense Rückgang der Besucherzahlen – Tourismus ist der wichtigste Devisenbringer – verschiedenste Bevölkerungskreise im ganzen Land gegen die Maobadi auf. Durch den permanenten Kriegszustand, das Ausbleiben der wenigen Regierungsgelder und internationaler Hilfe sowie die mangelnden Ressourcen der Maoisten wird ihre Unterstützung selbst in den Kerngebieten nachlassen. Noch mehr Repression könnte die Folge sein.

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