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02. Mai 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Nepal Terrorismus contra Tourismus

Große Probleme für die Tourismusbranche durch den Bürgerkrieg

Der Tourismus, der Nepal als wichtigste Devisenquelle dient und einen wirtschaftlichen Hauptpfeiler des bitterarmen südasiatischen Landes darstellt, ist seit dem letzten Jahr in einer desaströsen Situation. Verschreckt durch die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und den maoistischen Aufständischen, kommen immer weniger Touristen in das Land.

Das belegen die eindeutig rückgängigen Besucherzahlen. Nachdem diese Zahlen im letzten Jahr bereits um ein Drittel gesunken waren, setzte sich der Trend auch in den ersten Monaten dieses Jahres unvermindert fort. Reisende, die Kathmandus Touristenviertel Thamel für gewöhnlich reich bevölkerten, werden sehr zum Leidwesen vieler vom Tourismus abhängiger Betriebe allmählich spärlich. Auf dem See von Pokhara war es Anfang April durchaus möglich, alleine mit dem Boot unterwegs zu sein. In der Gegend gingen die Besucherzahlen um über 80 Prozent zurück. So schön es seien mag, Nepal ohne Touristenströme zu entdecken, stellt sich doch vielen Besuchern die Frage, ob die scheinbare Idylle nicht trügt. Das Auswärtige Amt hat bisher jedoch keine Reisewarnungen veröffentlicht.

Berichte über die Erpressung von Wegzöllen von Trekkern durch Maoisten – bzw. Leuten, die sich als solche ausgeben – scheinen gewichtiger zu sein als alle Versuche der Regierung, mit niedrigeren Gebühren und neuen Möglichkeiten die Bergsteiger bei der Stange zu halten. So wurden nun dieses Jahr mehrere früher gesperrte Gipfel zur Besteigung freigegeben. Es grenzt schon an ein Wunder, daß bisher nicht Touristen Opfer der tödlichen Kämpfe wurden.

Chitwan-Tel.-Exchange
Zerstörtes Telekommunikations-Haus am Ortsrand von Sauraha. Foto: Christoph S. Sprung

In Sauraha und Umgebung, dem Ausgangspunkt für Besuche in den Royal Chitwan National Park, legten die Maobadis Ende März die Telekommunikation durch einen Brandanschlag lahm. Trotz offizieller Bekundungen ihres Anführers, Touristen nicht gefährden zu wollen, zeigt sich bei diesem Anschlag einmal mehr, daß sich die Maobadis der Bedeutung der Einnahmen aus dem Tourismus für den Staatshaushalt – und damit für das Militäbudget – durchaus bewußt sind.

Die Soldaten, die in der Vergangenheit für die Bewachung des berühmten Nationalparks zuständig waren, geben durch die Konzentration auf die Rebellen, die auch in dieser Gegend durchaus präsent sind, den Wilderern freie Hand. Zum Leidwesen des artenreichen Chitwan-Nationalparks.

Erste Fälle von abgeschlachteten Nashörnern versucht die Regierung singular darzustellen. Es ist ohnehin eine erstaunliche Blindheit in der Berichterstattung der deutschen Presse zu bemerken, die erst bei mehreren Duzend Toten einige Zeilen über die Vorkommnisse verliert. Selbst in der Tagespresse des benachbarten Indiens sind die täglichen Kämpfe, wenn überhaupt, nur eine Spalte wert.

Jeep Chitwan
Nach einem Anschlag maoistischer Rebellen im Chitwan Distrikt, 29. März 2002. Foto: Christoph S. Sprung

Ausländische Investoren, die zum respektablen Standard u.a. der Tourismusinfrastruktur gesorgt haben, sehen sich nach Käufern um. Ein weiteres Zeichen für eine gewisse Abbruchsstimmung vermitteln zahlreiche ausländische Forschungsprojekte, die ausgesetzt wurden und Meldungen, daß viele Hilfsorganisationen die Evakuierung ihrer Angestellten planen. Dementsprechend soll die WHO bereits einen Teil des Personals nach Indien verlegt haben.

Aus dem Hauptquatier im internationalen Kampf gegen den Terrorismus, den USA, trafen an Stelle von Touristen vermehrt Militärberater ein. Außerdem melden Beobachter unter Berufung auf NGO-Vertreter in Kathmandu, die USA hätten im April zusätzlich Waffen, Kommunikationsmittel und Fluggeräte aus den für Afghanistan bestimmten Beständen nach Nepal geliefert.

Maobadi Tours (Ltd.)

Die rebellischen Maoisten machen sich allerdings auch Gedanken zur Bedeutung des Tourismus jenseits staatlicher Einkommen. Sicherlich trägt die Kritik der nicht unbedeutenden Tourismusbranche - oder der Teile der Bevölkerung die irgendwie vom Tourismus profitieren - dazu bei, die Maobadis zu ernsthafteren Überlegungen zu veranlassen. In einer aufsehenerregenden E-Mail wandten sich die Aufständischen zuletzt Mitte April an ausländische Touristen und sicherten ihnen zu, daß sie in Nepal weiterhin willkommen seien. So ist sich der United Revolutionary People's Council bewußt, daß die Nutzung des natürlichen und kulturellen Reichtums des Landes ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung sei. Reisende hätten so nichts zu befürchten. Allerdings nur, wenn sie nicht in Hotels übernachten, die dem "erzreaktionären Shah-Rana-Clans" gehören - womit die Königsfamilie gemeint ist. (Dies ist blinde Arroganz gegenüber Ausländern.) Unrealistisch ist auch die Einladung an alle Touristen, "revolutionäre Basislager" in den befreiten Gebieten zu besuchen. Die Regierungstruppen töten in diesen Gebieten nahezu willkürlich jeden Verdächtigen, den sie mit den Maobadis in Verbindung setzen!

Trotz weniger gefahrenreicher Verhältnisse im Vergleich zu anderen Kampfgebieten in Südasien ist die Situation für Ausländer angespannt. Durch die momentane Militärpräsenz kann sich Nepal durchaus mit dem von einer Militärregierung geführten Pakistan messen. Bei einer Fortführung des Krieges auf dem augenblicklichen Niveau, verwandelt sich die Wirtschaft, insbesondere die Tourismusbranche, in einen Trümmerhaufen.

Singapurs nationale Luftgesellschaft (Singapore Airlines) hat zudem angekündigt, alle Flüge ab dem 1.Juni nach Kathmandu einzustellen. Sie fliegt derzeitig drei Mal pro Woche in den Himalaya-Staat. Ohne direkt auf die Maobadis zu verweisen, kam dieser für die Tourismus-Branche herbe Schritt wenige Tage nach einem Anschlag der Maoisten auf einen Flughafen im östlichen Landesteil. Dabei wurde der Kontrollturm zerstört.

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