Inhalt

02. September 2002. Pakistan Staat und Politik

Pakistan, seit 1947 von Großbritannien unabhängig, verfügt trotz der ersten Verfassung von 1956 und weiteren von 1962, 1973 und 1985 über ein sehr unbeständiges demokratisches System. Das liegt sicherlich auch an den zahlreichen Militärherrschaften, die einen großen Teil der Zeit seit dem Bestehen des Staates ausmachen.

So herrschten die Militärs unter General M. Ayub Khan von 1958 und seinem Nachfolger Yahya Khan bis 1970. Nach einem erneuten Militärputsch gegen Zulfikar Bhutto 1977 regierte General Zia Ul-Haq bis 1988. Erst 1985 hob er das Kriegsrecht (Martial Law) auf und ernannte sich zum Präsidenten. Die von Zia erlassenen Verfassungsänderungen zugunsten der Rolle des Präsidenten, der über die Macht verfügte, Minister zu ernennen und zu entlassen und bei Gesetzgebungsvorhaben sein Veto einzulegen, wurden 1993 unter dem damaligen Premierminister Nawaz Sharif aufgehoben.

Seit Oktober 1999 lenkt erneut ein General die Geschicke des Landes. Generalstabschef Pervez Musharraf erließ nach dem erfolgreichen Militärputsch den Notstand (nicht das Kriegsrecht wie sein Vorgänger) und regierte zunächst als "Chief Executive" unter Staatspräsident Rafiq Tarar. Im Juni 2001 ließ sich Musharraf selbst zum Präsidenten vereidigen.

Unmittelbar nach seiner Machtübernahme "suspendierte" er die Verfassung und das Parlament. Die Verfassung ist damit derzeit außer Kraft gesetzt, existiert aber formal weiter, und wirkt so zumindest indirekt weiter auf die politischen Rahmenbedingungen ein. Außerdem beugte sich der General öffentlich einem Urteil des obersten Gerichts, dass ihn zur Abhaltung der in der Verfassung normierten demokratischen Wahlen bis zum Herbst 2002 aufforderte. Auch wenn der derzeitige Machthaber zukünftig eine wie auch immer "gelenkte Demokratie" anstreben sollte, wird sich diese doch an der aktuellen Verfassung messen lassen müssen. Dies rechtfertigt nach unserer Meinung den Bezug auf die Verfassung in den folgenden Abschnitten.

Die suspendierte Verfassung wurde 1985 unter Zia Ul-Haq erlassen und nach seinem Tod mehrfach abgeändert. Bei dieser handelt es sich um eine Kombination aus Traditionen der Kolonialverfassung von 1935 mit zahlreichen neuen "islamischen Elementen". Sie definiert Pakistan, das sich seit der Abspaltung von Ostpakistan zum unabhängigen Bangladesch im Jahr 1971 als Islamische Republik bezeichnet, als souveränen, republikanischen Bundesstaat mit vier Provinzen, dem Bundesterritorium der Hauptstadt Islamabad und den Stammesgebieten.

Präsident und Regierung

Die Verfassung sieht vor, dass der Präsident als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte Muslim sein muss. Er wird von den Abgeordneten der beiden Häusern des (derzeit suspendierten) Bundesparlaments für eine fünfjährige Amtszeit gewählt.

Der Präsident war durch seine Befugnis, die Regierung zu entlassen und das Parlament vorzeitig aufzulösen, seit Zia Ul-Haqs Regierung das eigentliche Machtzentrum der Exekutive. Diese Befugnisse wurden erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre durch das Parlament in einer Verfassungsänderung beseitigt. Seither kann der Präsident nur noch mit Zustimmung des Premierministers die Kommandeure der Streitkräfte und die Gouverneure der Provinzen ernennen. Weiterhin war es üblich, dass der Premier als Führer der stärksten Fraktion des Unterhauses vom Präsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Obwohl der Premier nach Vorbild des britischen Kabinettsystems nur erster unter gleichen war, kam ihm durch die Leitung der Kabinettsitzungen, das Recht zur Regierungsumbildung und die Kontrolle der Geheimdienste und der Bundespolizei eine herausragende Stellung zu.

Militär

Das pakistanische Militär nimmt eine bestimmende Rolle in Politik und Wirtschaft ein. Damit sei nicht nur auf die gegenwärtige Herrschaft des Militärs verwiesen, auch im historischen Kontext haben die Streitkräfte durch wiederholte Coups gezeigt, dass keine Regierung dauerhaft gegen den Willen der Militärführung herrschen kann. Der Militärputsch von 1999 ist ihre vierte Machtübernahme in dem südasiatischen Land seit der Unabhängigkeit 1947. Gegenwärtig liegen die Verteidigungsausgaben mit über 50% des Bruttoinlandprodukts auf einem unverhältnismäßig hohen Niveau.

In der pakistanischen Armee, die ca. 600 000 Soldaten umfasst, haben die Landstreitkräfte mit ca. 520.000 einen klaren Schwerpunkt. Es ist eine Freiwilligenarmee. Militärischer Oberbefehlshaber ist laut Verfassung der Präsident, für die Planung der Verteidigung ist das Kabinett verantwortlich. Für die Umsetzung der Beschlüsse ist der Verteidigungsminister zuständig. Seit der Unabhängigkeit kämpfte die pakistanische Armee in drei Kriegen gegen Indien, 1948, 1965 und 1971. Daneben war und ist sie in verschiedene kleinere Auseinandersetzungen entlang der gemeinsamen Grenze zu Indien verwickelt. In der Luftwaffe sind ca. 45.000 Mann beschäftigt, die Marine umfasst ca. 22.000 Mann. Die paramilitärischen Kräfte, bestehend aus der Nationalgarde, Grenzkorps, Rangers und der Küstenwache, umfassen ca. 300.000 Mann.

Die pakistanische Armee verfügt seit 1998 über Atomsprengköpfe. Die von Einigen als "islamische Bombe" bezeichnete Massenvernichtungswaffe wurde im Mai 1998 in unterirdischen Tests in Baluchistan, nahe der Grenze zum Iran, getestet. Die neuesten Mittelstrecken-Raketen können mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden und bis zu 3.000 km in feindliches Territorium eindringen.

Innerhalb der Armee gibt es die Position des Generalstabschefs, der den Luft- und Landstreitkräften ebenso wie die Marine vorsteht - eine Position, die in Deutschland nur der Politik vorbehalten ist.

Die pakistanische Armee unterhält enge Beziehungen zu China, dem Hauptlieferanten militärischer Güter. Weitere militärische Beziehungen bestehen zu Saudi Arabien, den Golfstaaten, Iran und der Türkei. Die Armee war und ist in diversen UN-Peacekeeping Missionen tätig, wird aber auch zu innerstaatlichen Konfliktherden hinzugezogen (so z.B. im Sindh / Karachi in den 1990er Jahren) und zur Bekämpfung des Drogenhandels.

Legislative und Wahlen

Vor der Machtübernahme lag die Legislative bei einem Zwei-Kammern-Parlament mit insgesamt 324 Mitgliedern. Das Unterhaus, die Nationalversammlung, setzte sich aus 237 Abgeordneten zusammen, die alle fünf Jahre aus allgemeinen, direkten und freien Wahlen ermittelt werden sollten. 20 Abgeordnetenplätze waren Frauen und zehn Sitze den Repräsentanten der nicht-muslimischen Minderheiten vorbehalten. Die Verfassung sieht außerdem vor, dass der Premierminister vom Präsidenten ernannt wird und mit seinem Kabinett nur der Nationalversammlung verantwortlich ist.

Das Oberhaus, der Senat, bestand zuletzt aus 87 Abgeordneten, die größtenteils und mit jeweils gleichem Anteil aus den Provinz-Parlamenten entsandt waren. Die Stammesgebiete stellten acht und das Gebiet der Bundeshauptstadt sendete drei Mitglieder. Der Senat besaß einen überwiegend beratenden Einfluss, seine Mitglieder werden für eine Dauer von sechs Jahren gewählt. In Pakistan besteht allgemeines Wahlrecht ab 21 Jahren. Die Sperrklausel liegt in den Provinzen bei 2% und bei landesweiten Wahlen bei 5% des Stimmenanteils.

Judikative

Das Rechtssystem ist auf dem früheren britisch-indischen Recht, dem Common Law aufgebaut. Nach der Verfassung von 1985 wird die Judikative durch ein System nationaler Gerichte ausgeübt. An dessen Spitze steht der Supreme Court of Pakistan, mit Sitz in Islamabad, unter Vorsitz des Obersten Richters, des Chief Justice. Die obersten Richter werden vom Präsidenten ernannt.

Der Oberste Gerichtshof ist Entscheidungsinstanz bei Konflikten zwischen Staat und seinen Provinzen, bzw. zwischen den Provinzen. Darüber hinaus ist er höchste Berufungsinstanz für alle Rechtsfragen und kann Fälle von besonderem Interesse an sich ziehen. Ihm untergeordnet sind die Obergerichte, High Courts, als höchste Berufungsinstanzen in den Provinzen. Die Provinzen verfügen über gesonderte Verwaltungsgerichte. Im Familien- und Erbrecht gilt religiöses Recht, für Muslime nach sunnitisch-hanafitischem Ritus.

Die Shariat Benches sind gesonderte Kammern an den Gerichten, die seit 1976 nach islamischem Recht urteilen. Der 1980 eingerichtete Scharia-Gerichtshof des Bundes (Federal Shariat Court) entscheidet über eine Vereinbarkeit bestehender Gesetze mit dem kanonischen sunnitischen Recht. Das Finanzrecht war zunächst von der Überprüfung ausgeschlossen, erst Benazir Bhutto erweiterte die Kompetenzen der Richter um diesen Bereich. Die daraufhin vom Gericht geforderte Anpassung der Finanzgesetzgebung und der betreffenden Institutionen an das islamische Zinsverbot wurde allerdings nie umgesetzt. Durch eine Verfassungsergänzung 1988 erhielt die Scharia den Status des oberstes Rechtes des Landes. 1992 wurde die 1986 abgeschaffte Todesstrafe wieder eingeführt. Seit 1995 gilt sie auch für den Rauschgifthandel.

Föderale Gliederung und Verwaltung

Das Land gliedert sich in die vier Provinzen Baluchistan, Sindh, Punjab und Nordwestliche Grenzprovinz (North-West Frontier Province), die über eine eigene Provinzregierung verfügen. Das Bundesterritorium Islamabad, die Northern Areas und die "Stammes"-Gebiete (Federally Administered Tribal Areas, FATA) werden zentral verwaltet. Außerdem kontrolliert Pakistan den westlichen Teil von Kaschmir, genannt Azad Kashmir.

Den durch den Staatspräsidenten ernannten Provinzgouverneuren stehen gewählte Provinzparlamente mit eigenen Regierungen zur Seite. Die Provinzen sind in insgesamt 50 Distrikte und sogenannte Agencies in den FATA unterteilt. Diese Regionen Khyber, Kurram, Malakand, Mohmand, Nord- und Südwaziristan - werden autonom regiert, die Zentralregierung entsendet lediglich sogenannte politische Vertreter. In diesen Gebieten haben die pakistanischen Gesetze keine Gültigkeit, vielmehr werden sie nach den überlieferten Sitten und Gebräuchen der dortigen Bevölkerung regiert.

Azad Kashmir hat seine eigene Regierung, einen eigenen Präsidenten, Premierminister und eigene Gerichte. Der nördliche Teil - Gilgit, Diamir und Baltistan - untersteht direkt der Zentralregierung.

Medien

Die Freiheit der Presse ist relativ hoch, selbst in Zeiten der Militärdiktatur konnte sie nie völlig abgeschafft werden. Sie kann allerdings durch die Zuteilung des Druckpapiers und durch gemietete Schlägerbanden (Goondas), die Räume missliebiger Redaktionen demolieren, eingeschränkt werden. Daneben werden immer wieder Verhaftungen von kritischen Journalisten bekannt.

In Pakistan gibt es über 400 Tageszeitungen und etwa 800 Wochenzeitungen, viele in kleiner Auflage. Die wichtigsten Tageszeitungen werden in Lahore und Karachi publiziert. Die Gesamtauflage aller Zeitungen lag Anfang der neunziger Jahre bei mehr als 1,82 Millionen. Zeitungen erscheinen hauptsächlich in Urdu und Englisch. Insbesondere die englischsprachige Presse gilt als regierungskritisch. Die Themen Militär, Religionsstreitigkeiten und die Familie des Präsidenten unterliegen der Zensur. Neben der staatlichen Nachrichtenagentur Associated Press of Pakistan (APP) gibt es zwei private Agenturen (PPI und NNI).

Die staatliche Pakistan Television Corporation strahlt seit 1964 ein Fernsehprogramm aus. Fünf Übertragungszentren ermöglichen 87% der Gesamtbevölkerung den Empfang. Obwohl nur drei Millionen Fernsehgeräte gemeldet sind, wird die Zuschauerzahl auf über 115 Millionen geschätzt. Es gibt 23 staatliche Radiostationen sowie drei private, die in 20 verschiedenen Sprachen senden.

Besonders in den Städten nimmt die Nutzung der Computertechnik und des Internets rapide zu. Gesurft wird vor allen in Internet-Cafes, private Anschlüsse sind wegen der hohen Kosten und des schlechten Leitungsnetzes noch die Ausnahme.

Parteien

Das pakistanische Parteiensystem ist vielfältig: Neben den zwei großen Parteien, existieren unzählige kleinere, regionale und religiöse Parteien. Laut Parteien-Gesetz vom 17. Februar 1985 ist zur Anerkennung der Parteien neben der ordnungsgemäßen Besetzung von Parteiämtern durch Wahlen vor allem ein islamisches Staatsverständnis nötig. So müssen Mitglieder, die gegen islamische Wertevorstellungen verstoßen, ausgeschlossen werden. Seit der Machtübernahme der Militärs im Oktober 1999 ist die Arbeit der Parteien stark eingeschränkt. Bei verschiedenen lokalen Wahlen seit Frühjahr 2001 wurden nur parteiunabhängige Kandidaten zugelassen.

Die Pakistan Muslim League (PML) ist eine einflussreiche konservative Partei, die in der jüngsten Vergangenheit maßgeblich an den politischen Geschicken des Landes beteiligt war. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Partei, die sich 1906 in Dhaka als All-India Muslim League als Interessenvertreter der indischen Muslime auf dem Subkontinent gründete und 1958 auflöste.

Die PML wurde 1962 von General Ayub Khan gegründet. Doch die jetzige Partei setzt sich vor allem aus der 1986 entstandenen Neugründung um Muhammad Khan Junejos zusammen. Die Führung übernahm dann nach dessen Tod im März 1993 Nawaz Sharif. Seitdem setzte sie sich als PML-N (Nawaz Sharif) für die Interessen der städtischen Mittelschichten und der Großgrundbesitzer ein. Die PML-N stellte in den 1990er Jahren mit Nawaz Sarif zweimal den Premierminister. Bis zur Machtübernahme des Militärs im Oktober 1999 verfügte sie über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Seit Beginn der Militärherrschaft sind sämtliche Spitzenpolitiker inhaftiert oder wie Nawaz Sharif im Exil. An den Universitäten ist die PML mit ihrer Studentenorganisation Muslim Student Federation (MSF) vertreten.

Im März 2001 spaltete sich ein den regierenden Militärs nahestehender Flügel um Sharifs früheren Vertrauten Mian Muhammad Azhar ab. Im Juni 2001 konstituierte er sich als PML-LM ("Like Minded Group").

Die sozialdemokratische Pakistan People's Party (PPP) gründete sich 1967. Sie stellte mit Zulfikar Ali Bhutto in den Jahren von 1971 bis 1977 den Regierungschef bis zum Putsch der Militärs unter Zia ul-Haq. Bei den ersten freien Wahlen nach Zias Tod 1988 wurde die Tochter des ehemaligen Staatschefs, Benazir Bhutto, erste weibliche Premierministerin eines muslimischen Landes, die allerdings 1990 durch den Staatspräsidenten wegen Amtsmissbrauchs und Korruptionsvorwürfen ihres Amt enthoben wurde. Nach den Wahlen 1993 stellte die Partei erneut die Regierung. 1996 wurde Benazir Bhutto aus ähnlichen Gründen erneut entlassen. Als Parteiführerein der PPP befindet sie sich seither im Exil. Studentenorganisation der Partei ist die Peoples Student Federation (PSF).
Die PPP-SB (Shaheed Bhutto) gründete sich im März 1995 unter der Führung von Benazirs Bruder Murtaza Bhutto ab. Noch bevor seine Neugründung zu einer ernsthaften Gefahr für die regierende PPP Benazir Bhuttos werden konnte, erschoss die Polizei im September 1996 Murtaza und sieben weitere Parteigrößen.

Die 1984 gegründeten Muttahida Qaumi Mahaz (MQM) verstand sich anfänglich als politische Partei der Mohajirs, der urdusprachigen indischen Immigranten. Die Partei hat ihre Wurzeln im Umfeld der All-Pakistan Muhajir Students Organization an der Universität von Karachi. Zunächst bezeichnete sie sich daher auch als Mohajir Qaumi Movement. Die neue Bezeichnung steht dagegen für Vereinigte Nationale Bewegung. Obwohl die Partei bei Wahlen der 1990er Jahre zur drittstärksten Partei im Bundesparlament heranwuchs, ist sie dennoch vor allem eine Regionalpartei der südpakistanischen Provinz Sindh. Seit 1997 stellte die MQM in Koalition mit der PML im Sindh die Regierung. Nach ihrer Machtübernahme konnte der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen MQM und Regierungskräften etwas eingedämmt werden, der Anfang der 1990er Jahre durch die mit Unterstützung der pakistanischen Armee entstandenen radikalen Splittergruppe, der MQM-HAQIQ (Haqiq = Wahrheit), angeheizt worden war. Der politische Führer und Gründer der MQM, Altaf Hussain, lebt seit längerem im Londoner Exil.

Die Pakistan Democratic Party (PDP) wurde 1969 als Zusammenschluss der vier Parteien Justice Party, National Democratic Front, Nizam-e-Islam und der westpakistanischen Awami League gegründet. Die Partei unter Nawabzada Nasrullah Khan erlangte während der ersten Regierungszeit der PML 1990 Bedeutung, als sie die oppositionelle All-Parties Conference führte. Parteiführer Khan steht seit Dezember 2000 der Alliance for the Restoration of Democracy (ARD) vor, die - alle wichtigen Parteien Pakistans vereinend - für die Rückkehr zur Demokratie kämpft.

Ghulam Musafa Jatoi gründete 1986 die National People Party (NPP) nach seinem Zerwürfnis mit Benazir Bhuttos PPP. Nachdem Jatoi 1990 für kurze Zeit als Übergangspremier amtierte, spielt die Partei heute nur noch im Sindh eine Rolle.

Die Tehrik-e-Istiqlal, "Solidaritätsbewegung", gründete sich unter dem ehemaligen Luftwaffen-Marshall Asghar Khan 1969. Die Partei ist unter Intellektuellen und städtischen Mittelschichten verwurzelt. 1990 koalierte sie mit der PPP, die Wahlen 1997 boykottierte sie.

Die Pakistan Tehrik-e-Intesaaf (PTI) wurde 1996 unter Imran Khan gegründet. Trotz großer Aufmerksamkeit in den Medien besitzt die Partei des berühmten ehemaligen Kricket-Spielers kein politisches Gewicht.

Die Awami National Party (ANP) entstand 1986 als Neugründung der 1971 von Zulfikar Bhutto verbotenen National Awami Party. Die ANP gelang es jedoch nicht, die überregionale Bedeutung ihrer Vorgängerin als Sammelbecken der pakistanischen Linken zu halten. Heute ist sie eine sozialistische Regionalpartei, die sich vor allem in der nordwestlichen Grenzprovinz (NWFP) und in Baluchistan für die Belange der Paschtunen und der Belutschen einsetzt. Awami bedeutet auf Pushtu Volk.

Daneben gibt es in Pakistan zahlreiche weitere regionale Parteien wie etwa die Baluchistan National Party und die Pakhtoon Khawa Mill Awami Party, die in den westlichen Provinzen vertreten sind.

Die einflussreichste religiöse Partei Pakistans ist die Jamaat-i-Islami (JI), die Abul A'la Maududi 1941 gründete und seit 1947 in Lahore zu einer lautstarken Opposition gegen den säkularen Staat aufbaute. Die Partei vertritt ein die islamische Frühzeit glorifizierendes, auf staatlich-autoritäre Durchsetzung fixiertes Bild eines alle Lebensbereiche umfassenden, von Elementen der südasiatischen Alltagskultur gereinigten, Islam. Obwohl ihr parlamentarischer Einfluss immer begrenzt blieb, setzte die Kaderpartei durch ihre Massenkampagnen viele der "islamischen" Verfassungszusätze und die Verfolgung der Ahmadiyya als unislamisch durch. Die JI unterstützt - vor allem durch ihre Studentenorganisation Islami Jamiat-i-Talaba (IJT) - massiv militante Gruppen in Kashmir.

Ein weiterer Vertreter der religiösen Rechten ist die Jamiat-e-Ulama-e-Islam (JUI). Sie entstand 1945 als Abspaltung der Jamiat-ul Ulama-e-Hind (JUH), der konservativen Vereinigung muslimischer Gelehrter. Wie damals die JUH ist auch die JUI in der Deoband-Bewegung Britisch-Indiens verwurzelt, die zur Verteidigung eines orthodoxen sunnitischen Islamverständnisses gegen modernistische und synkretistische Tendenzen entstand. Seit 1947 änderte die JUI ihr Programm sowie die Organisationsstruktur öfter. Unterstützung erhält sie größtenteils im Norden Baluchistans und in der nordwestlichen Grenzprovinz, wo sie besonders von Paschtunen gewählt wird. Die dort von der Partei betriebenen religiösen Schulen (Madrasas) haben viele der in Afghanistan Kämpfenden ausgebildet, der Partei wird deshalb ein gewisser Einfluss auf die afghanischen Taliban nachgesagt. Ihre hauptsächlichen Widersacher sind, neben schiitischen Gruppierungen, die Vertreter von stärker volkstümlichen Strömungen des Islam, insbesondere die Jamiat-e-Ulama-e Pakistan (JUP).

Unter den kleineren Parteien mit religiöser Programmatik finden sich auch offen gewaltsame Gruppierungen, wie die radikal-sunnitischen Sipah-e-Sahaba-e-Pakistan (SSP), die 1984 als militante Abspaltung der JUI gegründet und im August 2001 verboten wurde. Anhänger dieser Partei lieferten sich in der Vergangenheit Kämpfe mit der Tehrik-e-Jafaria-e-Pakistan (TJP), deren Wählerschaft sich zumeist aus der schiitischen Bevölkerungsminderheit im Sindh rekrutiert. Nachdem die TJP seit Ende der 1980er Jahre auf Anschläge verzichtete, spalteten sich einzelne militante Gruppierungen wie die Sipah-e-Mohamad ab. Auch die Nizam-e-Mustapha können dem militanten Spektrum zugeordnet werden.

Quellen

  • Bahadur, Kalim: The Jama'at-I-Islami of Pakistan, New Delhi 1977
  • Malik, S. Jamal: Islamisierung in Pakistan 1977-84. Untersuchungen zur Auflösung autochthoner Strukturen, Stuttgart 1989
  • Noman, Omar: Pakistan. A Political and Ecomomical History since 1947, New York 1990
  • Talbot, Ian (Hrsg.): Pakistan. A Modern History, London 1998
  • Zingel, Wolfgang-Peter: Pakistan, in: Jahrbuch Dritte Welt 2001, hrsg. von Betz/Brühe. München 2001
  • Ziring, Lawrence: Pakistan in the Twentieth Century. A Political History, Karachi 1997

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.