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29. Januar 2014. Interviews: Indien - Politik & Recht "Ein Messer, das über unseren Köpfen hängt"

Interview mit der indischen Aktivistin Ponni Arasu

Im Jahr 2009 hatte der Delhi High Court die Section 377 des Indian Penal Code für verfassungswidrig erklärt. Damit wurde die aus kolonialen Zeiten stammende Kriminalisierung von Homosexualität beendet. Diese Entscheidung nahm am 11. Dezember 2013 ein Urteil des Supreme Court zurück. Am 10. Januar 2014 interviewte Urmila Goel die indische Aktivistin Ponni Arasu zum Kampf gegen die Section 377.

Goel: Was genau hat der Supreme Court, das oberste Gericht Indiens, am 11. Dezember 2013 entschieden?

Arasu: Lass uns mit der Geschichte beginnen, wie gegen die Section 377 vor Gericht gekämpft wurde. Normalerweise fangen die Erzählungen bei der Klage an, die im Jahr 2000 eingereicht wurde und die nun vom Supreme Court abgewiesen wurde. Aber es gab noch eine weitere Klage, die 1988 eingereicht wurde von einer Gruppe, die …

Entschuldige die Unterbrechung, kannst Du erst erklären, was die Section 377 ist?

Section 377 ist ein Artikel des Indian Penal Code, des indischen Strafgesetzbuchs, das von der britischen Kolonialverwaltung eingeführt wurde. In Section 377 heißt es: "Geschlechtsverkehr gegen die natürliche Ordnung wird mit zehn Jahren Gefängnis und einem Bußgeld bestraft" (Anmerkung der Interviewerin: zum Originalwortlaut und weiteren Informationen). In einer Erläuterung wird festgehalten, dass Geschlechtsverkehr notwendigerweise einen Penis erfordert. Diese gesetzliche Vorschrift wurde eingeführt, um sexuelle Aktivitäten einzuschränken, die als unnatürlich angesehen wurden, dabei ging es vor allem um Homosexualität. In Großbritannien wurde es in den 1960er Jahren aus den Gesetzbüchern gestrichen. Da es ein koloniales Gesetz war, existierte es allerdings über die ganze Welt verteilt, überall dort, wo es britische Kolonien gab – so zum Beispiel in allen südasiatischen Ländern in fast exakt dieser Form. Viele der Ex-Kolonien behielten koloniale Gesetze auch nach ihrer Unabhängigkeit ab den 1940er Jahren bei. Section 377 ist eines, das blieb. Von der Gesetzesinterpretation und der Art und Weise wie Vertreter_innen der britischen Kolonialverwaltung und der unabhängigen Staaten über das Gesetz gesprochen haben, kann geschlossen werden, dass Section 377 genutzt werden kann, um jeglichen nicht-reproduktiven Sex zu kriminalisieren. Dies hatte zur Folge, dass jene, die offen zu ihrem so genannten "abweichenden Begehren" standen, verfolgt und diskriminiert wurden. Das betrifft unterschiedliche Sexualitäten und unterschiedliche Geschlechtsidentitäten. (Ergänzung durch die Interviewerin: siehe auch einen Artikel zu Diskriminierungserfahrungen in Südasien.)

Ponni Arasu
Ponni Arasu, queere feministische Aktivistin aus Chennai. Foto: www.urmila.de

Wie genau sieht diese Verfolgung und Diskriminierung aus? Wer ist davon besonders betroffen?

Section 377 betrifft verschiedene Gruppen. Lass uns mit der Situation auf den Straßen und in öffentlichen Parks beginnen. Dort betrifft es Menschen, die homosexuelle Akte entweder kommerziell oder aus anderen Gründen durchführen, genauso wie Menschen, die in einem anderen Gender leben als jenem, das die Gesellschaft ihnen zuschreibt. Zum Beispiel gilt dies für Menschen, die gesellschaftlich als männliche Personen angesehen werden, die aber eine weibliche Genderidentität leben. In Indien gehören hierzu Hijras. Das sind Menschen, die Teil einer traditionellen Gemeinschaft geworden sind, die seit dem 12. Jahrhundert existiert. Hijras führen diverse Rituale aus, verorten sich in Verwandtschaftsverhältnissen und leben in dieser Gemeinschaft. Sie sind Teil vieler Traditionen in ihrer Gemeinschaft und der Gesellschaft als Ganzes. (Anmerkung der Interviewerin: Für eine Annäherung an Hijras siehe einen Artikel auf dieser Webseite. Über Hijras gibt es viele exotisierende Beschreibungen, die sehr vereinfachend sind, auf Aspekte wie Kastration und Sexarbeit fokussieren anstatt ihre Gemeinschaftsformen zu beschreiben.)

Es gibt aber auch neuere Gemeinschaften wie die Gemeinschaft der Männer, die mit Männern Sex haben, auch msm genannt. Diese Gruppe war vor allem eine Erfindung von HIV/AIDS-Aufklärungskampagnen. Es gibt auch Kothis, das sind meistens Männer aus der Arbeiterklasse, die als feminine Männer auftreten und die in ihren sexuellen Beziehungen zu Personen, die üblicherweise maskuline Männer darstellen, die Rolle einer Frau ausüben. Alle diese Menschen werden schikaniert. Sie sind Gewalt ausgesetzt sowohl von der Polizei wie von nicht-staatlichen Akteur_innen, wie beispielsweise lokalen Gangstern.

Welcher polizeilichen Gewalt sind sie ausgesetzt?

Die Polizei patrouilliert Parks und Straßen. Wenn mensch ein_e Sexarbeiter_in ist – unabhängig vom Geschlecht und der Sexualität – denken die Polizei und verschiedene staatliche Institutionen, dass sie mit dessen Körper machen können, was sie wollen. Da gibt es sehr wenig Schutz, den diese Menschen vom Staat erwarten können. Sexarbeiter_innen verschiedener Geschlechter und Sexualitäten erfahren die gleiche Gewalt, die Sexarbeiterinnen weiblichen Geschlechts erfahren, und noch etwas mehr.

Die Gewalt trifft auch Menschen, die cruisen und sich an öffentlichen Cruising-Orten treffen – etwas, das in allen Gesellschaften vorkommt. Sie cruisen, treffen einander und entscheiden sich für Sex in einer Ecke des Parks. Für manche entspricht das ihrem Begehren. Sie möchten tatsächlich Sex in der Öffentlichkeit haben. Viel öfter allerdings ist Sex in der Öffentlichkeit die einzige Möglichkeit, da es keinen privaten Raum gibt, den sie nutzen können in einer Gesellschaft, in der die Familien und alle anderen Institutionen ihre Geschlechtsidentität und Sexualität nicht unterstützen. Beim Cruisen werden sie von der Polizei meistens verhaftet bevor sie Sex haben. Das bedeutet, dass sie gar nicht das Gesetz gebrochen haben, dass sie nicht Section 377 gebrochen haben, da es nicht zum Geschlechtsverkehr kam. Aber die Polizei schlägt sie trotzdem oder setzt sie sexueller Gewalt aus. Diese Gewalt wird auch von anderen nicht-staatlichen Akteuren wie lokalen Gangstern ausgeübt, manchmal zusammen mit der Polizei.

Zudem machen Aktivist_innen in den Gemeinschaften in ländlichen oder semi-städtischen Gegenden HIV/AIDS-Aufklärungsarbeit. Sie verteilen Kondome und so. Auch sie werden von der Polizei verhaftet, offensichtlich illegaler Weise, da sie das Gesetz nicht gebrochen haben. Wir müssen uns dann beeilen und sie auf Kaution rausbekommen. Das passiert nun schon eine lange Zeit.

Die Gewalt, der queere Menschen im privaten Bereich ausgesetzt sind, ist noch schwerwiegender. Wir leben in einer Gesellschaft in der Homosexualität nicht okay ist. Sie wird als nicht traditionell betrachtet. Die meisten der südasiatischen Religionen erklären sie zu einer Sünde. Wir können dagegen argumentieren. Wir können nachweisen, wie traditionellerweise Menschen verschiedener Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten in südasiatischen Kulturen und Gesellschaften gelebt haben. Wir können auch argumentieren, dass wenn eine Religion in Südasien, sei sie Hinduismus, Islam, Christentum, Sikhismus oder Zoroastrismus, Homosexualität zur Sünde erklärt, dies eine sehr enge Auslegung dieser Religion ist. Wir können das alles argumentieren. Aber im Alltag herrscht die Meinung vor, dass es gegen die indische Tradition ist und eine Sünde. Du kannst Dir vorstellen, wie gewaltvoll das ist, wenn Menschen feststellen, dass sie, weil sie dieses Begehren haben, Sünder_innen sind, die gegen die Traditionen verstoßen. Das ist die erste Form von Homophobie, mit der wir alle umgehen müssen.

Welchen Einfluss hat die Section 377 hierauf?

Man kann argumentieren, dass Section 377 nicht das größte Problem ist, dass wir uns lieber um die gesellschaftlichen Probleme rund um Homophobie kümmern sollten. Das ist ein wichtiger Einwand. Aber das Gesetz hat die Aufgabe, uns alle als gleiche Bürger_innen zu behandeln. Und dann gibt es da einen Artikel, der explizit etwas kriminalisiert, was ich im Privaten mit einem oder mehreren einwilligenden Erwachsenen tue. Vielleicht führt diese Kriminalisierung zu meiner internalisierten Homophobie, zur Homophobie, der ich von der Polizei, meiner Familie, meinen Kolleg_innen, im Bildungsbereich ausgesetzt bin, vielleicht nicht. Wir müssen uns Section 377 als ein Messer vorstellen, das immer über unseren Köpfen hängt und für alle zu sehen ist. Selbst wenn Du weder Dir selbst noch der Gesellschaft gegenüber out bist, wenn Menschen vermuten, dass Du homosexuell bist, sehen sie sofort das Messer. Leute werden Dir sagen: Es ist verboten, Du kannst nicht homosexuell sein. Es ist gegen das Gesetz. Es ist kriminell. Der wichtigste Punkt ist, dass wir keine gesetzliche Vorschrift haben können, das unsere elementarsten individuellen Aktivitäten einschränkt. Wie sollen wir frei sprechen oder atmen, wenn es ein Gesetz gibt, dass diese Aktivitäten kriminalisiert? Wie sollen wir dann unsere Forderungen stellen, um die gesellschaftlichen Werte an ihren Wurzeln zu ändern? Wie sollen wir dann die Idee dessen ändern, was es heißt, ein_e Inder_in zu sein, ein_e Hindu, ein_e Muslim_in, ein_e Christ_in? Wie sollen wir ändern, was Familie oder Liebe heißt? Wenn wir diese Vorstellungen in der indischen Gesellschaft ändern wollen, dann darf kein Messer über uns hängen.

Der andere Aspekt ist, dass das Recht dazu da sein sollten, um die Bürger_innen zu schützen. Der einzige Zweck des Rechtes ist, die Bürger_innen vor körperlichem, emotionalem und spirituellem Schaden zu schützen. Um das zu tun, darf das Recht nicht kriminalisieren, wer ich bin. Wenn der größte Schaden für mich von Gesetzen kommt, dann kann ich mich nicht zum Schutz an das Recht wenden. Das ist völlig unlogisch und muss abgeschafft werden. Das Recht muss jede_n Bürger_in vor Gewalt schützen. Unabhängig davon, was deren Familien oder sie selbst denken mögen.

Ich würde jetzt gerne zum Beginn des Interviews zurückkommen. Du wolltest mir über die Geschichte des Kampfes vor Gerichten erzählen und bist in die 1980er Jahre zurückgegangen.

Die Klage, die jetzt abgewiesen wurde, begann im Jahr 2000. Aber bevor wir dahin kommen, müssen wir uns an unsere Geschichte erinnern. Die Leute tun immer so, als ob sie die ersten wären, die etwas gemacht haben. Aber wir alle haben eine Geschichte und es ist wichtig, dass wir diese anerkennen. LSBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*)-Gruppen haben sich seit den späten 1970er Jahren in Indien getroffen, sich kennen gelernt, sich unterstützt, Notfalltelefone eingerichtet, Selbstmorde verhindert. Bis jetzt wissen wir noch nicht alles, was da gemacht wurde.

Bezüglich des Kampfes gegen die Section 377: Die Gruppe AIDS Bhedbahv Virodhi Andolan wurde gegründet, um gegen die soziale Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen zu kämpfen. 1988 haben sie die Section 377 angefochten, weil sie die bereits diskriminierten HIV-positiven Menschen zusätzlich diskriminiert. Leider wurde ihr Anliegen bald darauf abgewiesen. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass diese Diskriminierung eine Folge der Section 377 sei. Das war die erste Klage.

Im Jahr 2000 hat dann die Naz Foundation India das Thema wieder eingebracht. Diese Stiftung ist auch eine Organisation, die zu HIV/AIDS arbeitet. Ihre langjährige Arbeit hatte sie bereits dazu motiviert, gegen die Section 377 vorzugehen, der konkrete Anlass war dann aber ein Vorfall in ihrem Lucknower Büro. Die Polizei hatte es durchsucht, Material zur HIV/AIDS-Aufklärung beschlagnahmt - dazu gehörten auch Kondome - und die Mitarbeitenden aufgrund der Section 377 verhaftet. Die Naz Foundation hat dann argumentiert, dieser Artikel behindere ihre wichtige Arbeit und daher werde sie es anfechten. Im Jahr 2004 wurde aber auch ihre Klage mit dem Argument abgewiesen, dass sie nicht eindeutig zeigen könnte, dass die Section 377 die Diskriminierung direkt verursache.

Voices Against 377
Delhi, Indien 09.12.2004: Das Bündnis Voices against 377 startet seine Kampagne "Million Voices" gegen die Section 377 des Indian Penal Code in Dili Hat in Delhi. Abgebildet ist eine der "Million Voices", die bei der Veranstaltung gesammelt wurden. Foto: Urmila Goel

Glücklicherweise hatte es bis dahin aber ausreichend öffentliche Mobilisierung gegeben. Anders als im Fall von AIDS Bhedbahv Virodhi Andolan wurde die Abweisung der Klage nicht ruhig hingenommen. Es gab viel mehr Gruppen, viel mehr queere Menschen waren out. Etwa 2004 wurden Leute aus meiner Generation aktiv (Anmerkung der Interviewerin: zu Ponnis Engagement damals). Wir starteten kleine Kollektive. Ich war Teil des Medienkollektivs Nigah und von Anjuman, dem ersten queeren Studierendenkollektiv der Jawaharlal Nehru Universität. Wir wollten die Klage der Naz Foundation mit einem Netzwerk von Organisationen unterstützen. Dazu gehörten Frauenrechtsgruppen, HIV/AIDS-Gruppen, Gruppen, die zu Sexualität gearbeitet haben, Kinderrechtsgruppen und die ganzen kleinen feministischen und queeren Kollektive. So wurde Voices against 377 gegründet.

Als die Klage der Naz Foundation abgewiesen wurde, nutzten sie die special leave permission. Diese erlaubt es ihnen den Supreme Court aufzufordern, die Klage als gerechtfertigt anzuerkennen und sie zu hören. Voices against 377 reichte eine Klage zur Unterstützung der Klage der Naz Foundation ein. Dabei argumentierten wir etwas allgemeiner. Wir haben nicht nur argumentiert, dass das Recht auf Gesundheit in Bezug auf HIV/AIDS beeinträchtigt sei, sondern auch unsere Grundrechte auf Leben, Freiheit und Würde. Wir haben zudem erklärt, dass wir dies nachweisen können. Der Supreme Court hat dann dankenswerterweise entschieden, dass die Klage angehört werden muss. Sie ging zurück zum High Court und die Anhörungen begannen.

Während so der juristische Weg voran ging, gab es gleichzeitig und gleichbedeutend überall eine viele größere öffentliche Sichtbarkeit von queeren Themen. Im Fernsehen und Online sind meist Englisch sprechende Menschen der oberen Mittelklasse – wie ich selbst – zu sehen, die über diese Themen reden. Daran gibt es sowohl in der Bewegung wie von außen Kritik. Und das ist eine wertvolle Kritik. Viele unserer Siege können darauf zurückgeführt werden, dass wir aus dieser Gesellschaftsschicht kommen. Das unterscheidet uns von anderen sozialen Bewegungen, in denen Menschen entweder nicht aus diesen Gesellschaftsschichten stammen oder wenn sie es tun, aus ihnen weggehen und jahrelang in kleinen Dörfern in den Bergen leben. Es ist wahr, es sind eine Menge Menschen aus der oberen Mittelklasse, die man die ganze Zeit sieht. Aber es muss auch beachtet werden, dass die queere Bewegung viele Formen hat. Es gibt nicht die eine queere Bewegung. Während der juristische Weg eingeschlagen wurde und ein paar Individuen zu den sichtbaren Gesichtern der Bewegung wurden, gab es einen Kampf um die Repräsentation in der Bewegung. Menschen haben in kleinen Dörfern und Kleinstädten gearbeitet und die grundlegendsten Angebote für die am meisten marginalisierten LSBT-Personen gemacht. Um die geht es in dem Kampf eigentlich. Wenn Du als reiche Person in einem Land wie Indien Deine Verfassungsrechte verweigert bekommst, ist das hart, aber Du kannst weiterleben. Sicher wirst Du Homophobie erleben. Sicher wirst Du zur Ehe gezwungen werden. Aber für andere ist es tatsächlich eine Frage von Leben und Tod. Es geht nicht darum, die Schmerzen der Einen über die Schmerzen des Anderen zu hierarchisieren. Es ist eine Frage der Perspektive. Wir müssen anerkennen, dass unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Kämpfe ausfechten. Außerhalb der Gerichte haben einige der am meisten marginalisierten Menschen, die am meisten inspirierenden Kämpfe geführt. Zum Beispiel Frau-zu-Mann-Personen aus der Arbeiterklasse, aus niedrigen Kasten im kleinen Staat Kerala (Anmerkung der Interviewerin: siehe dazu auch einen Bericht von 2006, u.a. über Kerala). So viele Menschen haben sich engagiert, nicht nur um ihr eigenes Leben zu verbessern, sondern auch um für andere wie sie selbst zu arbeiten. All diese Arbeit ging weiter und ein Aufbruch breitete sich im ganzen Land aus.

Wie hat dann der Delhi High Court entschieden?

Mitten in diesen Aufbruch kam das Urteil des Delhi High Court. Der 2. Juli 2009 war der beste Tag in meinem Leben. Das Urteil des Delhi High Court hat erklärt, dass die Section 377 gegen die Verfassung von Indien verstößt. Sie ist nicht verfassungsgemäß, da sie einem Teil der indischen Gesellschaft das Recht auf Leben, Freiheit und Würde verweigert. Das Urteil hat privaten einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen des gleichen Geschlechts entkriminalisiert. Es hat nicht den ganzen Artikel verworfen, da die Section 377 bis vor kurzem die einzige gesetzliche Vorschrift war, die das riesige und abscheuliche Problem des Kindesmissbrauchs in Indien kriminalisierte. Deshalb war unsere Haltung von Anfang an sehr klar. Wir forderten nicht die Abschaffung der Section 377. Wir wollten nur, dass einvernehmlicher Sex zwischen gleichgeschlechtlichen Erwachsen entkriminalisiert wird. Das Gericht tat genau das und ging darüber hinaus. Sie haben unsere verfassungsgemäßen Rechte als Bürger_innen bestätigt und haben sich dabei auf die Autor_innen der Verfassung berufen. Es war ein hervorragendes Urteil. Ein Urteil, das nicht nur die betroffenen Gemeinschaften und die Kläger_innen glücklich gemacht hat, sondern auch alle Jurist_innen glücklich machen sollte. Ein solches Urteil ist der Grund, warum mensch sich überhaupt mit dem Justizsystem herumplagen sollte. Es zeigt, dass mensch es tatsächlich erreichen kann. Mensch kann von einer gesetzlichen Vorschrift ausgehen und wenn dann Leute das Anliegen gut vortragen und die Richter_innen ihnen zuhören – wie in diesem Fall –, dann kann aus der Diskussion um die gesetzliche Vorschrift ein viel weitergehendes philosophisches Argument werden. Der Delhi High Court hat geurteilt, dass in einer demokratischen rechtsstaatlichen Gesellschaft nicht die moralischen Grundsätze der Gesellschaft, also was die Leute über Dieses oder Jenes denken, relevant sind, sondern die Verfassungsgrundsätze, der Geist, die Ethik und die Prinzipien, die in der Verfassung enthalten sind. Auf Grundlage dieser Prinzipien ist es sehr klar, dass Section 377 einer Gruppe von Menschen die grundlegendsten Rechte verweigert und deswegen anders interpretiert werden muss. (Anmerkung der Interviewerin: Im indischen Recht kann eine gesetzliche Vorschrift read down werden. Es wird dann nicht abgeschafft, sondern anders interpretiert. Im Fall der Section 377 hieß dies, dass der Artikel für Kindesmissbrauch weiter galt, aber nicht für einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex unter Erwachsenen.)

Welche Auswirkungen hatte das Urteil des Delhi High Courts?

Dinge in Indien haben sich seitdem anders angefühlt. Viele verschiedene Menschen haben sich gegenüber ihren Eltern oder Kolleg_innen geoutet. Viel davon war immer noch auf den städtischen englischsprachigen Kontext begrenzt, aber immerhin. Viele Institutionen, sowohl Unternehmen wie Nicht-Regierungs-Organisationen wurden gegründet. Es gab einen Aufbruch in der öffentlichen Verhandlung von Sexualitäten und Geschlechteridentitäten, den es in diesem Umfang vorher nicht gegeben hatte. Wenn Du zu einer Demonstration zu Sexualität gingst, konnte es sein, dass da nur neue Gesichter waren. Es gibt eine neue Generation, die seit 2009 out ist und andere Erfahrungen hat als wir. Wenn sie in einer Großstadt lebten und aus der englischsprachigen oberen Mittelklasse kamen, dann mussten sie keine hypothetischen heterosexuellen Partner_innen erfinden. In meiner Generation haben wir das alle gemacht. Wir sind alle durch die Phase gegangen, in der wir dachten, wir sind die einzigen auf der Welt. Diese jungen Leute mussten da nicht durch. Sie wussten bereits, dass es viele gibt, weil sie sie am 2. Juli 2009 im Fernsehen gesehen haben. Das macht einen Unterschied.

Warum ging der Fall dann zum Supreme Court? Und was hat der entschieden?

Nach dem Urteil des Delhi High Court haben unsere Gegner_innen, die überwiegend religiöse Gruppen und Einzelpersonen jeglicher Denomination waren, Berufung vor dem Supreme Court eingelegt. Wir haben Erwiderungen dagegen eingereicht. So lag die Klage seit 2009 wieder dem Supreme Court vor. Der hat am 11. Dezember 2013 zwei Dinge entschieden. Zum einen hat das Gericht gesagt, dass es nicht seine Aufgabe sei, darüber zu urteilen. Es sei eine Aufgabe für das Parlament und die Politiker_innen, da es eine Frage der öffentlichen Meinung sei und das Parlament eine Vertretung dessen sei, was die Leute denken. Zum anderen hat es erklärt, dass es nicht davon ausgehe, dass Section 377 gegen die Verfassung verstoße.

Das Problem mit dem Urteil ist, dass es ein sehr schlechtes juristisches Dokument ist. Seine Argumentation macht keinen Sinn und lässt vieles zu wünschen übrig. Der Richter hat erklärt, dass es die gesetzliche Vorschrift aufgrund des Willens des Volkes gebe. Aber sie wurde von britischen Bürokraten verabschiedet. Der Richter verteidigt so den kolonialen Entscheidungsprozess gegenüber sozialen Bewegungen, die es heute im unabhängigen Indien gibt. Zudem wurde die Section 377 für verfassungsgemäß erklärt, da die LSBT-Gemeinschaft eine "winzige Minderheit" - so steht es im Urteil - sei. Das ist das Verfassungswidrigste, was ein Richter sagen kann. Die Prämisse der Verfassung ist, dass selbst wenn nur die Rechte eine_r Bürger_in verletzt werden, die Verfassung diese beschützen muss.

Jetzt fliegen überall Statistiken herum. Wie kann er behaupten, dass wir eine winzige Minderheit sind, wenn bei jedem Pride, in jeder Stadt seit dem Jahr 2008 Tausende auf die Straße gehen. (Anmerkung der Interviewerin: Pride sind Demonstrationen für die Rechte von queeren Menschen. In Deutschland heißen sie zumeist CSD – Christopher Street Day.) Wenn das keine ausreichende Anzahl ist, was dann? So steigen selbst wir in das Zahlenspiel ein, aber darum geht es gar nicht. Wenn wir einen Mehrheitsstaat haben wollten, dann wäre Indien ein ganz anderes Land. Bei der Argumentation kann man verstehen, wie sich die Menschen in Kaschmir, Nagaland und Chhattisghar fühlen müssen. Gegenüber ihnen argumentiert die indische Regierung immer wieder, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht ihrer Meinung sei. Deshalb werden Menschen in diesen Regionen erschossen oder vergewaltigt. Diese Logik führt zu einer Mehrheitsherrschaft. Die Verfassung soll das verhindern und Demokratie sichern. Demokratie ist etwas anderes als Mehrheitsherrschaft. Das Urteil des Supreme Court stärkt eine Form der Mehrheitsherrschaft.

Wobei ich gar nicht so davon überzeugt bin, dass die Meinung der Mehrheit so vereinfachend homophob ist. Unabhängig davon, was in den Gerichten passiert, haben sich die gesellschaftlichen Sitten geändert. Die Leute denken jetzt anders über Sexualität und Geschlecht. Es gibt einen Raum für Gespräche und Debatten darüber. Das ist etwas, was wir erreicht haben. Der Richter kann das nicht für ungeschehen erklären.

Welche Auswirkungen hat das Urteil jetzt?

Die Gewalt hat begonnen. Menschen werden verhaftet mit dem Argument, dass das Gericht geurteilt habe, dass sie Kriminelle seien und die Polizei machen könne, was sie wolle. Menschen, die HIV/AIDS-Aufklärungsarbeit machen, wurden so verhaftet. Menschen, die sich seit 2009 geoutet haben, werden in ihren privaten Leben einen hohen Preis zahlen. Eltern, die die Petition vor dem Supreme Court unterstützt haben, erzählen, dass ihre Großfamilien angefangen haben, zu ihnen und ihren Kindern gemein zu sein. Nicht nur, weil sie ihre Kinder akzeptieren wie sie sind, sondern weil sie es öffentlich gemacht haben. Die Familien argumentieren jetzt, das Gericht habe nun geurteilt, was sie ihnen immer gesagt hätten: Es sei eine Sünde. Es kommt eine schwere Zeit und es ist sehr entmutigend. Einige von uns haben unser ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, gegen die Section 377 zu kämpfen. Ich war 16 Jahre alt, als ich Teil der Kampagne wurde, und jetzt bin ich 30 Jahre alt.

Das Urteil ist ein großer Schock. Wir haben es nicht erwartet. Unser Bild in der Öffentlichkeit war so positiv. So viele Meinungen haben sich geändert. Das kann nicht über Nacht zurück gedreht werden. Seit dem Urteil haben wir viel Unterstützung von der Regierung und diversen Teilen der Gesellschaft bekommen. Aber letzten Endes hat sich das Gericht nicht dafür interessiert und es hat die Gewalt gegen uns entfesselt.

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Berliner Protestlogo zum internationalen Tag des Protests gegen die Re-Kriminalisierung von Nicht-Heterosexualität in Indien am 15. Dezember 2013. Foto: blog.suedasien.info

Welche Unterstützung habt ihr von der Regierung und Teilen der Gesellschaft bekommen?

Das Innenministerium der Bundesregierung war auf unserer Seite im Fall des Delhi Court Urteils. Damals haben sie keine Berufung beim Supreme Court eingereicht, weil sie mit dem Urteil zufrieden waren. Aber nach dem Supreme Court Urteil waren sie die ersten, die eine review petition eingereicht haben. Eine review petition ist ein Antrag an den Supreme Court, die fordert, dass eine andere Zusammensetzung von Richter_innen des gleichen Gerichts sich das Urteil nochmal anschaut und überprüft, ob es offensichtliche Fehler gibt. Das können Fehler im Urteil oder nicht beachtete Beweise sein. Review petitions sind von Vielen eingereicht worden. Wir, also Voices against 377, haben heute eingereicht. Die Naz Foundation hat eine review petition eingereicht. Aber die indische Regierung war die erste, die eine review petition eingereicht hat, damit das Gericht sein Urteil rückgängig macht. So hat sich die Regierung, die sonst sozialen Bewegungen wenig Unterstützung bietet, aktiv engagiert.

Ansonsten haben wir den Global Day of Rage am 15. Dezember 2013 ausgerufen. Überall in Indien und weltweit gab es Proteste gegen das Supreme Court Urteil. Organisiert wurden sie von ganz unterschiedlichen Menschen, von vielen Gruppen, unabhängig von uns – das war wirklich herzerwärmend. (Anmerkung der Interviewerin: Auch in Berlin gab es eine kleine Demonstration.)

Natürlich gab es auch Unterstützung von unseren Freund_innen und Familien, die zu uns stehen unabhängig davon, was ein Richter von uns denkt. Selbst Leute, die Probleme mit unserer Sexualität haben oder denen es egal ist, haben gesagt: 'Du bist mein/e Freund/in und dass Du als Kriminelle/r in diesem Land gesehen wirst, kann ich nicht verstehen. Das ist nicht fair.' All das ist sehr ermutigend. Es ist nur so frustrierend, dass wir den juristischen Weg weitergehen müssen, wenn es so viel anderes zu tun gibt.

Wenn die Regierung Euch im Gerichtsverfahren unterstützt, ist es dann eine Möglichkeit, dass sie die Section 377 auf parlamentarischem Weg abschafft (wie es das Gericht gefordert hat)?

Für die Bundesregierung ist es viel einfacher, die review petition einzureichen, als Section 377 im parlamentarischen Prozess abzuschaffen. Das erfordert Verhandlungen mit mehr als einer politischen Partei. Dieses Thema bringt das Schlechteste in den Menschen raus. Die BJP hat bereits erklärt, dass sie mit dem Supreme Court übereinstimmt und Homosexualität für eine Sünde hält. Wenn wir den parlamentarischen Weg suchen, dann sind sie da und werden ihren Widerstand artikulieren. Dass die Regierung uns vor Gericht unterstützt, sagt nichts darüber aus, was im Parlament passieren würde. Das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge. Wir begrüßen, dass die derzeitige Regierung uns unterstützt, aber sollten da nicht zu viel rein lesen.

Was habt Ihr jetzt vor?

Es passiert viel. Gerade läuft eine Kampagne, in der Du einen Brief darüber, wie Du über das Urteil denkst, zum Supreme Court schicken kannst. Am 11. Januar 2014 (Anmerkung der Interviewerin: einen Tag nach dem Interview), einen Monat nach dem Urteil sollen wieder Global Day of Rage Veranstaltungen stattfinden. Gleichzeitig läuft die Arbeit vor Gericht weiter. Abgesehen davon machen alle die Menschen, die Basisarbeit machen, ihre Arbeit weiter. Deren Probleme werden größer werden, wenn die Verhaftungen und Gewalt anhalten. Wir müssen die Aufmerksamkeit für das Gerichtsverfahren in den Medien halten. Außerdem müssen wir den Kontakt mit den queeren Gemeinschaften halten, ihnen sagen, dass es okay ist, wir gewinnen werden und das Gericht damit nicht durchkommt.

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Eindrücke vom internationalen Tag des Protests gegen die Re-Kriminalisierung von Nicht-Heterosexualität in Indien am 15. Dezember 2013 in Berlin. Foto: blog.suedasien.info

Welche Form von internationaler Solidarität braucht Ihr?

Die Solidarität, die sich beim Global Day of Rage gezeigt hat, war toll. Menschen auf der ganzen Welt haben den Slogan aufgegriffen und haben sich engagiert. Diese Art, Aufmerksamkeit auf die Situation zu lenken, sollte erhalten bleiben.

Die Medienberichterstattung hatte zum Teil den Tonfall: 'Natürlich entscheidet ein indisches Gericht so, so sind die.' Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, ist das offensichtlich der nimmer endende Rassismus der westlichen Medien. Für Menschen, die sich für Dinge in Indien interessieren, die sich egal wo für Themen rund um Sexualität interessieren, die sich für Themen von People of Colour interessieren, kann dies ein guter Anlass sein, um lokal in Gespräche zu den Themen einzusteigen. Macht klar, dass der Supreme Court überhaupt nur ein Urteil gesprochen hat, weil es eine aktive Bewegung in Indien gibt, die seit mindestens drei Jahrzehnten dafür gekämpft hat. Wenn westliche Medien behaupten, dass so ein Urteil in Indien natürlich gefällt würde, erzählt denen vom Delhi High Court Urteil und davon, dass große Teile der indischen Gesellschaft – nicht nur die queere Bewegung, die für die Entkriminalisierung gekämpft hat – von dem Urteil schockiert sind. Macht öffentlich, dass sich die öffentliche Meinung in Indien geändert hat. Die Aufmerksamkeit sollte auch von und für People of Colour weltweit, insbesondere jene mit südasiatischer Herkunft, genutzt werden, um darüber nachzudenken, wie sie ihre Leben leben können, wie sie ihre gewählten Leben mit ihren Familien verhandeln können. Nutzt dafür die Bewegungen und Materialien, die aus Indien kommen, als ein Beispiel.

Queere Menschen rund um die Welt sollten verstehen, wie prekär ihre Rechte sind und wie leicht diese weggenommen werden können. Internationale Bewegungen für LSBT-Rechte müssen so weitreichend und intersektional wie möglich sein. Sonst werden sie ein integraler Teil des konservativen Schwenks, den die meisten Regierungen in der Welt gerade nehmen. Viele Teile von queeren Bewegungen in vielen Teilen der Welt sind bereits Teil dieses konservativen Schwenks. Wie können wir diese Gespräche führen? Wie können weiße LSBT queere Personen in Berlin oder Toronto oder New York eine gut informierte Perspektive bekommen und solidarisch mit queeren Personen in der ganzen Welt sein? Was in Indien passiert ist, ist nichts im Vergleich zu dem, was zum Beispiel in Uganda passiert. Wie können wir solidarisch mit anderen queeren Personen sein, ohne dabei herablassend zu sein und Vorurteile über deren Gesellschaften und Kulturen zu verbreiten? Dafür ist es vor allem wichtig, sich von diesen Orten leiten zu lassen. Wie können wir Verbindungen ziehen zwischen dem, was an anderen Orten passiert, und was People of Colour bei uns passiert? Es ist eine weitere Möglichkeit Debatten zu führen.

Bezüglich der sichtbaren Solidarität und Aktionen, die direkt unsere Kampagne unterstützen: Veranstaltungen wie der Global Day of Rage und alles was an dem Tag passiert ist, sind ein guter Weg.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Eurer Arbeit.

 

Nachtrag

Am 28. Januar 2014 kam ein weiterer Schock für die queere Bewegung Indiens. Der Supreme Court lehnte ohne weitere Begründung die review petitions ab. Urmila Goel fragte daher Ponni Arasu, welche Bedeutung diese Entscheidung des obersten Gerichtshofs hat und was nun passieren würde.

Arasu: Vor Gericht gibt es jetzt noch eine Möglichkeit, die curative petition. Das bedeutet zu argumentieren, dass die Gründe der review petition ohne ausreichende Abwägung abgelehnt wurden. Außerdem muss gezeigt werden, dass es eine Verleugnung des Naturrechts und/oder Befangenheit der Richter_innen gab. Wir haben noch nicht entschieden, ob wir diesen Weg einschlagen werden. Es ist keine besonders erfolgversprechende Möglichkeit. Die indische Regierung hat allerdings in den Medien bereits mitgeteilt, dass sie eine curative petition zu unserer Unterstützung einreichen wird.

Die Auswirkungen der Ablehnung sind heftig. Homosexualität kann jetzt nicht mehr durch ein Gerichtsverfahren entkriminalisiert werden. Das sind düstere Aussichten, da der parlamentarische Prozess sehr viel komplizierter sein wird. Es ist schwierig mit politischen Parteien zu verhandeln, noch schwieriger wenn es um Sexualität geht. Da es die reale Gefahr einer hindu-fundamentalistischen BJP-Regierung gibt, wissen wir noch nicht einmal, ob wir eine Regierung haben werden, mit der wir verhandeln können. Die BJP sind jene Leute, die das Urteil des Supreme Court unterstützt haben, die 1998 Kinos in Brand gesetzt haben, die den Film Fire gezeigt haben, und die beständig queere Stimmen angegriffen haben. Das steht natürlich im Zusammenhang mit ihren unerschrockenen Massakern an Tausenden Muslim_innen in Gujarat im Jahr 2002 sowie an anderen Orten zu anderen Zeiten.

Für die individuellen queeren Menschen ist der emotionale Aufruhr entsetzlich. Die Gefahren und Unterdrückungen sind jetzt viel realer und drängender. Gleichzeitig sind wir out, können und wollen nicht zurück in den Schrank. Wir haben uns daran gewöhnt im Freien zu atmen!

Die Bewegung ist schon länger aktiv. Also gibt es keinen Rückzug. Grundlegender sozialer Wandel endet sowieso nie mit der Änderung von Gesetzen. Das ist nur eine notwendige Änderung auf dem Weg zu wahrem gesellschaftlichen Wandel. Der Kampf wird weitergehen. Die öffentlichen Proteste werden weitergehen. Sie werden mit jedem Tag stärker und größer werden.

 


 

Ponni Arasu (geboren 1983) ist eine queere feministische Aktivistin aus Chennai, die zu einer Reihe von Menschenrechtsfragen gearbeitet hat, insbesondere zu Fragen von Geschlecht und Sexualität, Arbeit und Konflikt. Sie war Mitbegründerin von mehreren Kollektiven, die zu Geschlecht und Sexualität gearbeitet haben. Dazu gehört das Medienkollektiv Nigah, welches das jährliche Nigah Queer Fest in Delhi in den letzten Jahren organisiert hat. Ponni Arasu hat im Rahmen von Voices against 377, einer Koalition zur Entkriminalisierung von Homosexualität, juristische und Kampagnen-Arbeit geleistet. Mit Priya Thangarajah hat sie zwei Artikel zu queeren Frauen in Indien geschrieben. Nach einem Studium der Geschichte in Delhi und Jura in Bangalore arbeitet sie zurzeit in Toronto, Kanada an ihrer Doktorarbeit im Bereich der tamilischen Geschichte.

 


 

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