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28. März 2005. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Erneute BJP-Regierung in Jharkhand

Hindu-Nationalisten stellen nach Politikthriller in Jharkhand die Regierung

Nach fast zweiwöchigem Ringen um die parlamentarische Mehrheit in der Vidhan Sabha (Landesparlament) von Ranchi gelang es letztendlich der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) ihre Macht zu behaupten. Der landesweit für Aufsehen sorgende Kampf zwischen der BJP und einer Mehrparteienkoalition unter Führung der Kongresspartei (Indian National Congress, INC) und der Jharkhand Mukti Morcha (JMM) um vor allem parteilose Mandatsträger führte den jungen Unionsstaat an den Rand einer ernsten politischen Krise.

Die beiden wichtigsten politischen Lager in dem östlichen Unionsstaat gruppieren sich, wie auch auf nationaler Ebene, um die BJP auf der einen und den INC auf der anderen Seite. Der INC gewann aber bei der Landtagswahl im Februar nur neun Sitze, weshalb er zusammen mit den 17 Abgeordneten vom Koalitionspartner JMM, dem selbsternannten Vertreter der Adivasi, die parlamentarische Mehrheit verfehlte. Mangelnde Sitzabsprachen und eine nur zögerliche Koalitionsbereitschaft offenbarten bereits während des Wahlkampfes die Selbstüberschätzung der Kongress-geführten United Progressive Alliance (UPA). So kandidierten 232 Kandidaten der UPA um die 81 Vidhan-Sabha-Sitze in Ranchi. Die Allianz-interne Konkurrenz war sicherlich nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund für das überraschend gute Abschneiden der BJP und der von ihr geführten National Democratic Alliance (NDA). Das Wahlbündnis konnte ein Plus von zwei Prozent der Stimmen für sich verbuchen, verfehlte aber ebenfalls die absolute Mehrheit.

Das überraschend gute Abschneiden der BJP stand in deutlichem Gegensatz zu den Spekulationen im Vorfeld der Wahlen über einen bevorstehenden Machtverlust der Hindu-Nationalisten in Ranchi. Hintergrund dieser Prognosen war ihr katastrophales Abschneiden während der Wahlen zum indischen Unterhaus im letzten Jahr, bei denen die BJP nur eins der 14 Mandate in Jharkhand gewinnen konnte.

Angesichts der unklaren parlamentarischen Mehrheiten waren sowohl die Abgeordneten der Kommunistischen Parteien als auch die zwölf unabhängigen Mandatsträger hart umkämpft. UPA und NDA trugen in den ersten Märztagen hektisch Namenslisten zusammen, in denen die sie jeweils unterstützenden Abgeordneten aufgeführt wurden. Trotz aller mathematischen Unmöglichkeit beharrten beide Seiten hartnäckig darauf, eine Mehrheit zusammengebracht zu haben. Die Folgeereignisse lassen sich als weitere Anekdote der oftmals nur halblegalen indischen Politik beschreiben.

Die BJP, die aus den Wahlen vom Februar vor allem durch Unterstützung in den Städten als stärkste Partei hervorgegangen war, präsentierte am Morgen des 2. März dem Gouverneur Syed Sibte Razi eine Liste, die die notwendige - wenn auch nur hauchdünne - Mehrheit von 41 Abgeordneten demonstrieren sollte. Dazu wurden neben den eigenen 30 Mandatsträgern und den sechs ihres Koalitionspartners von der Janata Dal (United) fünf parteilose Abgeordnete aufgelistet. Dennoch lud der Gouverneur, ein alter Weggefährte des älteren Sohnes der ehemaligen Kongress-Premierministerin Indira Gandhi, den JMM-Führer Shibu Soren dazu ein, innerhalb von 20 Tagen die erste gewählte Regierung Jharkhands zu bilden. Dazu schwor Razi Shibu Soren noch am Nachmittag des gleichen Tages auf das Amt des Ministerpräsidenten ein.

Gouverneur Razi entpuppte sich mit seiner Entscheidung - die weite Teile der indischen Medien bereits zu Vergleichen mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes von 1975 veranlasste - als New Delhis Stadthalter im Dienste des INC. Die Hindu-Nationalisten initiierten daraufhin groß angelegte Protestmärsche in Ranchi und New Delhi und verstanden es, dem indischen Präsidenten äußerst medien- und öffentlichkeitswirksam bereits am Folgetag 41 sie unterstützende Parlamentarier vorzuführen. Der Druck auf Jharkhands Gouverneur und den frisch gekürten Ministerpräsidenten Soren wuchs. Zudem intervenierte das Oberste Gericht und ordnete an, die bereits auf den 15. März vorgezogene Wahl des Ministerpräsidenten im Landesparlament abermals auf den 11. März vorzuziehen.

Währendessen legte die BJP alles daran, die sie unterstützenden fünf Parlamentarier vor möglichen "Bekehrungsversuchen des INC zu schützen". So wurde die Fünferbande mit Helikoptern in ein schwer bewachtes Luxus-Resort in Rajasthan verfrachtet und rund um die Uhr beaufsichtigt. Selbst nach ihrer Rückkehr nach Ranchi wurden die parteilosen Abgeordneten im örtlichen Luxushotel isoliert und auf dem Weg zur Abstimmung von einem Dutzend Leibwächter abgeschirmt.

Nachdem schließlich der INC nach einem Spitzentreffen seine Unterstützung für Soren zurückzog, verkündete dieser dann aus "freien Stücken" am 11. März seinen Rückzug. Die notwendige - aber eben nur hauchdünne - Mehrheit in der Vidhan Sabha erhielt dann letztendlich am 12. März sein BJP-Widersacher und Amtsvorgänger Arjun Munda (mit 40 zu 37 Stimmen), der als neuer Ministerpräsident mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Seine erste Amtshandlung war es, die ihn unterstützenden "unabhängigen Kandidaten" mit Ministerämtern zu versorgen.

Politischen Beobachtern in Ranchi zufolge hat im Nachhinein nicht Sorens JMM sondern der INC schwer an Glaubwürdigkeit eingebüßt. So wird das Vorgehen der Partei als "machtgierig" interpretiert, da sie angeblich zur Verwirklichung ihrer Pläne Soren erst vorgeschickt und ihn dann geopfert habe.

Insgesamt verdeutlichen die Ereignisse der vergangenen Wochen in Jharkhand, aber auch in den Staaten Bihar und Goa, die fast zeitgleich mittels President's Rule der Verwaltung durch die Zentralregierung unterstellte wurden, vor allem eines: Die UPA ist kaum mehr als ein loser Verbund von exzentrischen, machthungrigen und machtbewussten Parteiführern. Dieser sicherlich über alle Parteigrenzen und freilich auch für das Lager der NDA zutreffende Befund lässt insbesondere die Bewohner Jharkhands, einem der wenigsten entwickelten Unionsstaaten Indiens, mit trüben Zukunftsaussichten zurück.

Quellen

  • Purnima S. Tripathi: "Stuck in controversy", in: Frontline, Vol.22, No.6, 12- 25.3.2005
  • Era Sezhiyan: "A democracy in disarray", in: Frontline, Vol.22, No.7, 26.3. - 8.4.2005
  • "Nobody asked me to resign" (Interview with JMM leader Shibu Soren), in: Frontline, Vol.22, No.7, 26.3. - 8.4.2005
  • Purnima S. Tripathi: "Games without rules", in: Frontline,Vol.22, No.7, 26.3. - 8.4.2005

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