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09. November 2001. Pakistan Geschichte seit der Unabhängigkeit

"Die Geschichte war alt und rostig, eine Maschine, die seit Tausenden von Jahren niemand mehr in Betrieb gesetzt hatte, und jetzt wurde ein Maximum an Arbeitsleistung von ihr verlangt. Daß es dabei zu Unfällen kam konnte niemanden überraschen" (Salman Rushdie über die Geschichte Pakistans nach 1947, in: Scham und Schande, S. 98)

Unabhängigkeit und Staatsgründung: 1947

Der britische Herrschaftsanspruch auf dem Indischen Subkontinent dauerte fast 200 Jahre an - von 1756 bis 1947. Nach dem Sepoy-Aufstand von 1857 (benannt nach den Sepoys, den indischen Soldaten der britisch- indischen Armee) wurde das Monopol der East India Company auf den Handel mit Indien abgeschafft, und die englische Krone übernahm Indien. Das beschränkte sich nicht nur auf den Handel. Der Indian Civil Service verwaltete das in Provinzen unterteilte Britisch-Indien. Der Generalgouverneur erhielt zusätzlich den Titel des Vizekönigs und 1877 wurde Queen Victoria "Kaiserin von Indien".

Begünstigt durch erste politische Reformen, wie z.B. die Erlaubnis zur Bildung von Parteien, wurde 1885 der Indian National Congress gegründet. Viele Muslime fühlten sich durch die Hindu-Mehrheit im Congress nicht genügend repräsentiert. Daraufhin wurde 1906 die All India Muslim League gegründet. Sie sollte die Interessen aller indischen Muslime vertreten und als Sprachrohr der Minderheit dienen. Als die britischen Kolonialisten 1909 Verfassungsreformen durchführten, forderte die Muslim League getrennte Wahllisten für Muslime. Sie bekamen diese mit der Morley-Minto-Reform zugestanden. Damit war gesichert, dass Muslime in regionalen wie nationalen Parlamenten vertreten waren.

Die Idee eines muslimischen Staates in Südasien wurde von dem Dichterphilosoph Muhammad Iqbal anlässlich der Jahresversammlung der Muslim League Ende Dezember 1930 als "consolidated North Western Muslim State" formuliert.

Iqbal war der Auffassung, dass die nordwestlichen Provinzen Britisch-Indiens und die Region Jammu & Kashmir einen solchen Staat gründen sollten. Der Kunstname "Pakistan", der seither zur Benennung dieses politischen Gebildes üblich wurde, setzt sich aus den Anfangsbuchstaben bzw. Silben folgender Provinzen zusammen: Punjab, Afghani - die nordwestliche Grenzprovinz, Kashmir, Indus, Sindh und Baluchistan.

Im Jahre 1940 wurde diese Idee in Lahore durch den Präsident der Muslim League Mohammad Ali Jinnah, den späteren Gründungsvater Pakistans, aufgegriffen. Er forderte offiziell die Teilung Britisch-Indiens und die Schaffung eines separaten Muslimstaates. Die Forderungen sind in der Pakistan-Resolution, die auch als Lahore-Resolution bezeichnet wird, zusammengefasst. Gespräche der britischen Regierung mit den auf Unabhängigkeit drängenden Parteien offenbarten die Standpunkte der Muslim League und des Indian National Congress. Der Congress forderte im Gegensatz zur Muslim League die territoriale Integrität eines säkularen Indiens. Die Briten entschieden sich jedoch für die Teilung des Subkontinentes.

Zeitgleich mit Indien wurde Pakistan als "Homeland der indischen Muslime" in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1947 von den britischen Kolonialherren in die Unabhängigkeit entlassen. Der als Pakistan bezeichnete Muslimstaat bestand vor allem aus den Landesteilen, die als Gebiete Britisch-Indiens mehrheitlich von Muslimen bewohnt worden waren. Der Landesteil Ostpakistan umfasste das östliche Bengalen mit wenigen Teilen Assams. Im Nordwesten des Subkontinentes lag Westpakistan. Die teilweise willkürlich erscheinende Grenzziehung der Briten veranlasste mindestens sieben Millionen Muslime unter oft blutigen Begleitumständen von Indien vornehmlich in das westliche Pakistan umzusiedeln. Allerdings war der muslimische Bevölkerungsteil innerhalb der Indischen Union etwa gleich groß wie die Gesamtbevölkerung Pakistans.

Bei der Teilung des indischen Subkontinentes in die unabhängigen Staaten Indien und Pakistan bedurfte es der Klärung des Status der über 550 Fürstenstaaten. Diese waren durch den Abzug der britischen Kolonialmacht formal unabhängig geworden und traten meist entsprechend ihrer religiösen oder geographischen Lage einem der neu entstandenen Staaten bei. Dabei traten allerdings bei drei Fürstenstaaten Probleme auf.

Der muslimische Herrscher von Junagadh, im heutigen indischen Unionsstaat Gujarat, wollte sich trotz seiner mehrheitlichen Hindubevölkerung Pakistan anschließen. Indien annektierte das Territorium, um die Bildung einer Enklave inmitten indischen Staatsgebietes zu verhindern.

Der muslimische Herrscher von Hyderabad im südlichen Hochland des Dekhan, der über eine Hindumehrheit regierte, versuchte die Beitrittsentscheidung hinauszuzögern und so seine Souveränität zu wahren. Ein Gedanke, den Indien jedoch durch eine Annexion im September 1948 zerschlug.

Als ein besonderes Problem stellte sich das Fürstentum Jammu & Kashmir in der Himalaya-Region dar. Es grenzte sowohl an Indien als auch an Pakistan. Der Hindu-Maharaja Hari Singh regierte über eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung (85%). Kashmir blieb zunächst unabhängig. Erst durch die Invasion pashtunischer Stammeskrieger (aus dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet), die Pakistan unterstützten, sah sich der Maharaja gezwungen, Indien um militärische Unterstützung zu bitten. Indien machte die Hilfe von der Zusage des Maharajas abhängig, dass Kashmir der Indischen Union beitrete. Daraufhin gewährte es die angeforderte Hilfe, die sich zum ersten indisch-pakistanischen Krieg (1947 - 1949) entwickelte. Dieser endete mit einem Waffenstillstand unter Aufsicht der Vereinten Nationen und einer de facto Zweiteilung Kashmirs. Etwa ein Drittel des Gebietes wird seither von Pakistan kontrolliert. Dabei handelt es sich um die stark militärisch besetzten Gebiete der Northern Areas (N.A.) und des als Azad Kashmir - freies Kashmir - bezeichneten Teils, der sich regional selbstverwaltet. Die nördlichen Gebirgsregionen des Karakorums, die N.A. werden seither zentral von der pakistanischen Hauptstadt verwaltet.

Seit dieser Zeit ist die Zugehörigkeit des indischen Teils von Kashmir immer wieder Anlass für politische und militärische Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern gewesen. Der Kashmir-Konflikt bleibt nach wie vor ein Krisenherd in der Region.

Die vorrepublikanische Ära (von 1947 bis 1958)

Die erste unabhängige Regierung Pakistans wurde von der Muslim League unter Premierminister Liaqat Ali Khan geführt. Die Partei beherrschte anfänglich unangefochten die politische Szene. Ihr Selbstverständnis als nationale Bewegung ließ jede mögliche Opposition als Verrat am Gründungskonsens erscheinen. Der charismatische Staatsgründer Mohammed Ali Jinnah und Liaqat Ali Khan, der erste Premier, setzten sich zwar für eine säkulare Verfassung ein, aber das Selbstverständnis der Muslim League begünstigte die konservative Führungsgruppe, ein autoritäres Regime zu errichten. Bemühungen um Reformen in der Verwaltung und den Streitkräften erschienen durch die Probleme im Zusammenhang mit den anhaltenden Flüchtlingsströmen aus Indien untergeordnet. Zusätzlich kam es zu Machtkämpfen zwischen den Provinzherren und der Zentralregierung, deren Autorität sich nur sehr zögerlich und mit vielen Zugeständnissen durchsetzte. Generalgouverneur M.A. Jinnah starb bereits 1948. Auch L.A. Khan gelang es bis zu seiner Ermordung im Jahr 1951 nicht, stabile politische Verhältnisse im Land herzustellen.

Insgesamt bot die Muslim League den Massen kein politisches Programm zur Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Krise. Allerdings gab es neben der League keine alternative Partei, die es vermochte, politische Stabilität herbeizuführen. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt füllte daher das Militär den durch dieses Machtvakuum entstandenen Raum, da er sezessionistischen Bewegungen Platz zur Artikulation zu bieten drohte. Der damalige Sitz der Regierung war Karachi, die größte Stadt des Landes und als Hafenstadt erster Anlaufpunkt für viele muslimische Flüchtlinge aus Indien.

Ein erster offizieller Staatsbesuch L.A. Khans in den Vereinigten Staaten im Jahr 1950 führte Pakistan in enge bilaterale Beziehungen zu den USA. Das hatte gemäß der Logik des Kalten Kriegs zur Folge, dass, während die westliche Großmacht USA Pakistan wirtschaftlich unterstützte, sich die Verhältnisse zur nahen Sowjetunion zunehmend verschlechterten.

Nach dem Tod der charismatischen säkularen Führer M.A. Jinnahs und Liaqat Ali Khans gewannen islamisch-konservative Kräfte zunehmenden Einfluss im Land.

Auch Khwaja Nazimud-Din, der aus dem östlichen Landesteil stammte, und nach Jinnahs Tod Generalgouverneur wurde und später auch noch die Nachfolge des Premier L.A. Khans übernahm, stabilisierte die fragile politische Situation ebenfalls nicht.

Ud-Din gelang es nicht, den Popularitätsschwund der Muslim League im östlichen Landesteil aufhalten. Mohammed Ali Bogra, ebenfalls ein Ostpakistani, der 1953 das Präsidentenamt übernahm, veränderte ebenfalls nur geringfügig die bestehenden Verhältnisse. Die Situation verschärfte sich im östlichen Landesteil: Unruhen als Reaktion auf den Versuch Urdu einzuführen, brachen aus.

Der Versuch, Urdu als Amtssprache einzuführen, das zuvor weniger als 2% der Bevölkerung sprachen und nun als Lingua Franca Pakistans dienen sollte, stieß auf Ablehnung. Urdu wurde mehrheitlich von den in den westlichen Landesteil auswandernden Mohajirs, den muslimischen Emigranten aus Indien, gesprochen. Sie dominierten die politische Führung der Muslim League. Vor diesem Hintergrund verlor die Partei die Regionalwahlen 1954 in Ostpakistan. Gewinner wurde dort die oppositionelle Awami-League, woraufhin der Generalgouverneur die verfassungsgebende Versammlung als unrepräsentativ auflöste. In dieser Situation wurde General Iskander Mirza zur beherrschenden Figur Pakistans. Als Gouverneur Ost-Pakistans versuchte er separatistischen Tendenzen im Ansatz entgegenzuwirken. Sehr zum Unwillen der islamischen Geistlichkeit - der Ulama (1) - waren seine erklärten Ziele eine stärkere Zentralgewalt und eine scharfe Trennung von Politik und Religion. Im Oktober des Jahres 1954 wurde der Staatsnotstand ausgerufen, der als Höhepunkt der innenpolitischen Spannungen dieser Zeit betrachtet wird.

Im selben Jahr wurden die Beziehungen zur USA und ihren Verbündeten institutionalisiert: Ein türkisch-pakistanischer Vertrag über militärische Kooperation wurde geschlossen. Ein weiterer Vertrag, der Bagdad-Pakt, sah materielle und technische Unterstützung durch die USA vor und diente als Abkommens über die gegenseitige Verteidigung. Zudem trat das Land der Southeast Asian Treaty Organisation (SEATO) bei.

Im September 1955 beschloss die neugewählte verfassunggebende Versammlung, dass die vier westpakistanischen Provinzen künftig eine politische und administrative Einheit bilden.

Weiterhin beschloss die Versammlung für den 23. März 1956 die Ausrufung der Islamischen Republik Pakistan. Hauptstadt der Präsidialrepublik wurde nun statt der Millionenmetropole Karachi das beschauliche Rawalpindi im nördlichen Pujab.

Iskander Mirza, Generalgouverneur von 1955 bis 1956, hatte einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung der Republik und ihrer ersten Verfassung. Er wurde der erste mit weitreichenden Vollmachten ausgestattete Präsident.

Allerdings kam es auch mit der neuen Verfassung nicht zu stabilen Verhältnissen im Land. Keiner Partei innerhalb der Nationalversammlung gelang es, eine dauerhafte Regierung zu bilden. Unter dem Eindruck der sich ausweitenden innenpolitischen Krise verhängte der Präsident im Oktober 1958 das Kriegsrecht, entließ das Kabinett und veranlasste die Auflösung der Nationalversammlung sowie der Parteien. Dadurch kam es ebenfalls zur Auflösung der 1906 in Dhaka gegründete All Indian Muslim League.

Mirza ernannte General Mohammed Ayub Khan, den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, zum "Obersten Kriegsrechtsadministrator". Zwanzig Tage später zwang Ayub Khan den Präsidenten zur Abdankung, ernannte sich selbst zum Präsidenten und übernahm das Amt des Premierministers.

Die ersten Militärdiktaturen (bis 1970)

General Ayub Khan regierte Pakistan während seiner elfjährigen Präsidentschaft nahezu unumschränkt. Seine anfänglichen Fortschritte in Form einer Landreform, in deren Zuge rund 900.000 Hektar Land an 150.000 Pächter verteilt wurde, schaffte es allerdings nicht, die feudalen Verhältnisse auf dem Land zu überwinden. Die 22 Familien, die 1960 zwei Drittel des Besitzes in Pakistan kontrollierten, behielten weitestgehend ihre ökonomische Macht. So besaßen nach der Reform weiterhin 6.000 Großgrundbesitzer dreimal soviel Ackerland wie die Fläche, die den 150.000 Pächtern zugestanden wurde.

Weiteres Merkmal des neuen staatlichen Engagements war der Versuch, die Wirtschaftslage auf der Basis von Fünfjahresplänen voranzubringen. Auch die über dreifache Aufstockung der Entwicklungsgelder für den östlichen Landesteil steht in diesem Zusammenhang. Der Wirtschaft des östlichen Landesteiles kam diese finanzielle Besserstellung sichtbar zugute, konnte aber die Ungleichheit zwischen den beiden pakistanischen Regionen nicht aufheben. 1961 wurde Islamabad, am Stadtrand Rawalpindis gelegen, als auf dem Reißbrett geplante neue Hauptstadt Pakistans gegründet.

Mit der neuen Verfassung vom 1. März 1962 wurde das System der Basic Democracies eingeführt, also kleiner politisch überschaubarer Wahlkreise. Es war vorgesehen, dass landesweit 80.000 dieser Basic Democracies ihre Vertrauten in parlamentarische Gremien auf höherer Ebene bestimmten. Diese bildeten die Wahlkollegien, die den Präsidenten und die Vertreter der Nationalversammlung und der Regionalparlamente wählten. Zusammenfassend lässt sich das System dieser "gelenkten Demokratie" als aus vier Stufen bestehend beschreiben. Dabei bildete die Regierung die obersten nationale Ebene. Jede Stufe zeichnete sich durch spezifische Verantwortlichkeiten in ihrer Verwaltung aus - in ländlichen und städtischen Gebieten. Dies brachte Pakistan zu dieser Zeit den Ruf ein, mit der Fokussierung auf lokale Einheiten und der Umgehung der von städtischen Eliten dominierten Parteien ein Modell für Entwicklungsländer zu sein.

Präsident A. Khan erließ 1961 Ehe- und Familiengesetze, die u.a. die Vielehe eingeschränkten, die Ehescheidung regelten und das Erbrecht der Frauen und Minderjährigen stärkten.

Die anfänglichen Beziehungen zur Volksrepublik China waren durch eine militärische Partnerschaft gekennzeichnet, die ein Gegenbündnis zur indisch-sowjetischen Partnerschaft darstellte. Durch das Grenzabkommen von 1963 und den gemeinsamen Bau der Indushochstrasse, des Karakorum Highways (2), entwickelte sich seither eine strategische und wirtschaftliche Kooperation zwischen den Nachbarländern, die unter Ayub Khan ihren Anfang nahm. Dieser pflegte auch freundschaftliche Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, die Pakistan beträchtliche wirtschaftliche und militärische Hilfe gewährten. Diese bilateralen Beziehungen verschlechterten sich allerdings 1965, als der General die (vermeintliche) Führungsschwäche des Nachbarlandes Indiens nach dem Tod seines langjährigen Premierministers Nehru auszunutzen wollte und den zweiten Indisch-pakistanischen Krieg anzettelte.

Pakistans Versuch, die Kaschmirfrage militärisch zu lösen, fand aber weder bei den USA noch seinen befreundeten muslimischen Staaten Rückhalt (3). Über die Einstellung der Militär- und Wirtschaftshilfen erzwangen die USA ein Ende der Kampfhandlungen. Dies wurde umso gewichtiger, als eine verheerende Dürre damals nur durch US-amerikanische Lebensmittellieferungen abgewendet werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt schaltete sich die Sowjetunion als Vermittler in den Konflikt ein und lud Präsidentengeneral Ayub Khan und den indischen Premierminister Lal Bahadur Shastri nach Taschkent ein. Im Januar 1966 unterzeichneten beide Staaten dort ein Friedensabkommen und nahmen ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf.

Pakistans Industrie und Handel kamen nach dem Stopp der Entwicklungsgelder westlicher Industrieländer nur langsam wieder in Gang. Vor allem die Grüne Revolution, also ein wirtschaftlicher Durchbruch bedingt durch der Einsatz von Hochertragssorten in der Landwirtschaft, führte zu ökonomischen Wachstumsraten von über 8%. Diese Entwicklung beschränkte sich jedoch im wesentlichen auf den westlichen Landesteil.

Das Abkommen von Taschkent als Ergebnis des Kashmirkrieges führte jedoch zu Frustrationen in der pakistanischen Bevölkerung, die ihre Unzufriedenheit Präsident Ayub Khan anlastete. Der damalige Außenminister Zulfikar Ali Bhutto verließ sein Amt und agitierte gegen Ayub Khans diktatorische Amtsführung und den "Verlust" von Kashmir. Unzufriedenheit über soziale Entwicklungen und die politische Unterdrückung lösten 1968/69 Studentenunruhen und einen Generalstreik aus. Seinen gesundheitlichen Verschleißerscheinungen und dem politischen Druck nachgebend dankte Khan im März 1969 ab. Entgegen den Bestimmungen der Verfassung übergab er das Präsidentenamt an den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Agha Mohammad Yahya Khan. Dieser setzte die Verfassung außer Kraft und verhängte erneut das Kriegsrecht.

Der Bürgerkrieg (1970-71)

Die bedeutende Rolle des Militärs auf politischer Ebene von 1958 bis 1970 wurde dadurch gerechtfertigt und begründet, dass mit dessen Hilfe ein Auseinanderbrechen des Landes verhindert werden sollte. Dennoch gelang es General Yahya Khan trotz einiger Reformen nicht, die innenpolitischen Spannungen einzudämmen und eine Polarisierung der politischen Kräfte zu verhindern.

Reformen waren beispielsweise die Enthebung von 300 hohe Regierungsbeamten aus ihren Ämtern und die öffentliche Bekanntgabe der knapp 30 Familien, die mehr als die Hälfte des pakistanischen Bruttoinlandsprodukts kontrollierten. Insgesamt stellten diese Reformen jedoch nur unzureichende Versuche auf dem Weg zur Demokratie dar. Weder eine Verordnung gegen Monopole und Handelskartelle, noch Zusagen die Macht an zivile Behörden abzugeben, konnten die sich zuspitzenden Ereignisse abwenden.

Der Führer Awami-League im östlichen Landesteil, Scheikh Mujibur Rahman, stellte die Einheit des Landes offen in Frage. Er verlangte eine Föderation, in der ein praktisch unabhängiges Ostpakistan nur noch durch die Außenpolitik und Landesverteidigung an den westlichen Landesteil in Form einer gemeinsamen Bundesregierung gebunden werden sollte. Der Vorschlag, dass jeder Landesteil über eine eigene, frei konvertible Währung verfügen solle, stieß auf großen Anklang bei den Ostpakistanis.

In der Einsicht, dass das Militär durch die Verwaltung der Regierungsgeschäfte überfordert und korrumpiert würde, ließ General Yahya Khan die ersten allgemeinen und freien Wahlen im Dezember 1970 abhalten. Diese Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, zu denen die politischen Parteien zugelassen wurden, fanden zur "Rettung der Einheit" des Landes statt. Infolge dieser Abstimmungen erzielte Mujibur Rahman, mit einem Rückhalt von 55% der Gesamtbevölkerung, einen eindeutigen Sieg. Die 167 von insgesamt 313 Sitzen der Awami-League bedeuteten eine klare Mehrheit für die ostpakistanische Partei.

Die 1967 von Zulfikar Ali Bhutto gegründete Pakistan People's Party (PPP) wurde stärkste Partei im westlichen Pakistan. Die Wahlen offenbarten die Differenzen zwischen den Landesteilen Ost- und Westpakistan.

Die fehlende Bereitschaft der westpakistanischen Oligarchie und des Militärs, Teile der Elite des anderen Landesteils an der Macht partizipieren zu lassen, verdeutlichte die Differenzen der durch 1.600 Kilometer indisches Staatsgebiet getrennten Landesteile um so mehr.

Im weiteren Verlauf bezichtigte Scheikh Mujibur Rahman den Präsidentengeneral der geheimen Absprache mit Z.A. Bhutto und errichtete eine praktisch unabhängige Regierung in Ostpakistan. Die Verhandlungen Mitte März 1971 in Dhaka zwischen Yahya Khan und Mujibur Rahman endeten mit der Verhaftung Rahmans. Er wurde in den anderen Landesteil gebracht und des Hochverrats angeklagt. Die pakistanische Armee ging unterdessen gegen Rahmans Anhänger vor. Diese forderten offen Freiheit und Unabhängigkeit für Ostpakistan bzw. Bangladesch als "Nation der Bengalen". Das (west)pakistanische Militär ging mit äußerster Brutaltät gegen die Unabhängigkeitsbewegung vor: Zahllose Menschen wurden ermordet oder flohen mit der Führung der Awami-League nach Indien, die dort eine Exilregierung gründete.

Indien intervenierte in den Bürgerkrieg offiziell am 3. Dezember 1971, dreizehn Tage später kapitulierte die (west)pakistanische Armee. Am 20. Dezember übergab Yahya Khan den Posten des Staatspräsidenten an Z.A. Bhutto, der die Loslösung des östlichen Landesteils akzeptierte. So gelang unter indischer Beteiligung den Ostpakistanis im Januar 1972 die Gründung Bangladeschs. Als Reaktion auf die Mitgliedschaft Bangladeschs im Commonwealth of Nations trat Pakistan aus Protest aus. Die Regierung Rest-Pakistans, das seither identisch mit Pakistan ist, erkannte Bangladesch 1974 jedoch diplomatisch an.

Zulfikar Ali Bhuttos Jahre der Macht (1971-77)

Unter Präsident Zulfikar Ali Bhutto und seiner PPP wurde eine Reihe von Reformen angekündigt. Die Militärs wurden aus politischen Schlüsselpositionen gedrängt und durch Beibehaltung eines hohen Militärbudgets besänftigt.

Pakistans neue Verfassung von 1973 entstand maßgeblich unter Z.A. Bhutto und seiner Pakistan People's Party. Der Islam wurde nun Staatsreligion. Die von der PPP versprochene Demokratisierung und sozialen Reformen fanden teilweise in der Verfassung Ausdruck. Sie sah ein nach zivilen und parlamentarischen Mustern strukturiertes Regierungssystem vor. So zeichnete die Verfassung sich durch eine Reihe von toleranten Aspekten aus: Erstmals waren Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, sozialer Zugehörigkeit oder religiöser Überzeugung verboten. Historisch war auch die festgeschriebene Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Bhutto wurde Premierminister, und Fazal Elahi Chaudry folgte ihm im Amt des Präsidenten. Z.A. Bhuttos umfassende staatliche Reformen bestanden vor allem aus einer Bodenreform, Verstaatlichung von Banken und Industriebetrieben, Schulen und Universitäten. Trotz Bhuttos Politik des "Islamischen Sozialismus" war er den islamisch-konservativen Kräften gegenüber durchaus kompromissbereit. Ob reiner Machterhalt der ausschlaggebende Grund dafür war, kann hier nicht beantwortet werden. Bhuttos Zugeständnisse bewirkten eine tendenzielle "Islamisierung" der Gesellschaft, was sich auch durch einige neue Verordnungen, z.B. Kleidungsvorschriften und Alkoholverbot, zeigte.

Trotz allem blieben viele der von Z.A. Bhutto als "soziale Reformen" angekündigten politischen Veränderungen unrealisiert. Die Macht der Großgrundbesitzer (Zamindars) und der Militärs blieb bestehen. Den Verlust des öffentlichen Ansehens der Armee wusste Bhutto zu nutzen. Doch die Kriegskosten von 1971 und der Verlust der "Devisenquelle" Ostpakistan, die geschwächte Wirtschaft, die unter seinen Verstaatlichungsmaßnahmen litt, entfremdete frühere Anhänger. Seine eher nur rhetorischen Islamisierungsbekundungen bewirkten zunehmend Feindschaften. Die Verstaatlichungen und Landreformen sorgten für eine Gegnerschaft der Unternehmer. Auch den religiösen Führern - der Ulama - waren seine sozialistischen Ideen ein Dorn im Auge. Sie bezichtigten Bhutto einer gegen den Islam gerichteten Politik. Sein entscheidender Fehler war jedoch, dass ihm kein konstruktives Verhältnis zur Opposition gelang.

Bhutto entwickelte, gestützt auf die PPP als die stärkste Partei in seiner Heimatprovinz Sindh, einen persönlich-autoritären Regierungsstil. Was u.a. die Unterdrückung und Verfolgung von Oppositionellen beinhaltete. Daraufhin kam es 1974/75 zu Unruhen in der Nordwestlichen Grenzprovinz - North Western Frontier Province (NWFP) - und in Baluchistan.

Zu den allgemeinen Wahlen im März 1977 schlossen sich neun mächtige Oppositionsparteien in der Pakistan National Alliance (PNA) zusammen und stellten sich gegen Bhuttos Pakistan People's Party. Das Ergebnis der Stimmenauszählung, nach der die PNA in drei von vier Provinzen verloren habe, wurde von dieser nicht anerkannt. Sie beschuldigte Bhutto des Wahlbetrugs, boykottierte die Regionalwahlen und rief im ganzen Land zu Demonstrationen auf, die sich über sechs Wochen hinzogen. In der Folge kam es zu zahlreichen Verhaftungen, Hunderten von Toten und mehreren zehntausend Verletzten.

Das veranlasste die Militärs unter General Zia ul-Haq am 5. Juli 1977, die Macht zu übernehmen. Der Putschist ul-Haq suspendierte die Verfassung, löste das Parlament auf. Parteien und Gewerkschaften wurden verboten. Das Kriegsrechtes - Martial Law - wurde ausgerufen. Seinen Vorgänger ließ Zia ul-Haq zwei Jahre nach dessen Verhaftung im Jahr 1979 hinrichten.

Das Militärregime Zia ul-Haqs (1977-88)

Die Gewaltherrschaft des Generals Zia ul-Haq, der sich 1978 zum Präsidenten vereidigen ließ, übertraf die bisherigen Militärregime in dem Land am Indus an Grausamkeit.

General Zia ul-Haqs politisches Ziel war es, den bislang unklaren Begriff einer pakistanischen Identität durch eine umfassende Islamisierung aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche im Land neu zu formulieren und ihm eine nachhaltig islamische Prägung zu geben. Zia Ul-Haq legitimierte seine Herrschaft damit, dass nur Menschen, die von islamischen Idealen geleitet werden, es wert seien, der Öffentlichkeit zu dienen. Daher berief er sich auf den Koran und die Sunna (4). Ul-Haq ging davon aus, mit der Errichtung eines Nizam-e-Islam (5), eines islamischen Systems, Pakistans Probleme lösen zu können. Gestützt auf das Militär bemühte sich Zia, eine, wie er sie verstand, islamische Demokratie unter Ausschluss politischer Parteien zu modellieren. Die pakistanische Identität als muslimische Identität sollte auf dem panislamischen Einheitskonzept der Ummah (6) basieren, was letztendlich die ideologische Legitimität seines Militärregimes begründen sollte. Mit der Islamisierung des Strafrechts wurde bis 1988 die Scharia (7) stufenweise als oberstes Rechtsinstitut etabliert. Das führte dazu, dass der Islam, insbesondere der sunnitische Islam ul-Haqs, noch stärker im gesellschaftlichen Leben verankert wurde, wie der staatliche Einzug von Zakat (8), der Almosensteuer und das Beispiel des "Ahmadiyya-Verbots" (9) zeigten. Viele der "Reformen", die unter dem Deckmantel der Islamisierung stattfanden, wurden von Teilen der muslimischen Geistlichkeit, der Ulama, islamisch fundamentalistisch beglaubigt.

Die uneinheitliche Interpretationen der Koranischen Offenbarung und der Sunna führten insbesondere in Pakistan zur Herausbildung unterschiedlichster Denkrichtungen, Gruppen und Schulen, die sich teilweise auch gewaltsam bekämpfen. Vor diesem Hintergrund schien die Islamisierungspolitik, wie sie von ul-Haq unter Bezugnahme fundamentalistischer Kräfte betrieben wurde, im voraus wenig Aussicht auf Erfolg gehabt zu haben. Die Islamisierung der pakistanischen Gesellschaft als Machtmittel Zia ul-Haqs basierte keineswegs auf breiter gesellschaftlicher Zustimmung.

Teile der Ulama sowie die fundamentalistische Jama'at-e-Islami, die bereits vor Zias Zeit als Diktator eine Islamisierung der Gesellschaft zu realisieren versuchten, erfuhren eine Erweiterung ihrer Macht. Die Institutionalisierung der Majlis-e-Shoora im Jahre 1982 - als Volksversammlung mit 350 ernannten Abgeordneten - und die Verstaatlichung des Stiftungswesens diente dem Ausbau der Macht der Zentralregierung in Islamabad.

Durch die Etablierung des religiösen Steuersystems Zakat und Ushr gelang es der Zentralregierung in traditionelle Werte- und Ordnungssysteme vorzustoßen. Das betont nicht nur den sunnitischen Charakter dieser Initiative, der auf Ablehnung der schiitischen Bevölkerungsteile stieß, sondern führte auch zu Spaltung der Gesellschaft und der Ulama.

Durch finanzielle Unterstützung der bestehenden traditionellen Strukturen des religiösen Bildungssystems, also der staatlichen Integration der Madrassas, nahm dieser Bildungsbereich an Bedeutung zu. Das war durch eine gezielte Förderung vor allem mit Geldmitteln aus dem Zakat möglich. Dennoch war die Gesellschaft anscheinend nicht genug "islamisiert", um die Mullahs in jeder beruflichen Position zu akzeptieren. Es schien, als sei eher Teilen der arabischen Welt, durch Finanzhilfen aus Saudi Arabien und anderen, an den Graduierten der Religionsschulen gelegen, als der eigenen Gesellschaft. Die staatlich subventionierte ideologische Ausbildung der als Taliban bezeichneten Schüler, diente deren Vorbereitung auf die Teilnahme am Jihad. Die Nachwirkungen dieser Ausbildung beinhalten ein beträchtliches Konfliktpotenzial bis in die heutige Zeit und gibt den Religionslehrern und ihren "Reproduktionszentren" nicht nur innen- sondern auch außenpolitische Bedeutung. Weite Teile der mehr als drei Millionen afghanischen Flüchtlinge genossen ebenfalls die kostenlose Ausbildung in Madrassas. Die als "Taliban" zu zweifelhaften Ruhm gekommenen Milizen sind - zumindest teilweise - als Früchte der Außenpolitik Zia ul-Haqs zu verstehen.

Nutznießer der Politik Zia ul-Haqs waren insbesondere die feudalen Großgrundbesitzerfamilien, die Armee und teilweise der muslimische Klerus. Durch eine Vielzahl diktatorischer Maßnahmen, vor allem durch die Beschneidung der Frauenrechte, wurden die feudalen und patriarchalischen Strukturen neu etabliert. Die Islamisierung Zia ul-Haqs stellte einen Machthöhepunkt der bisherigen Militärdiktaturen in Südasien dar.

Das Referendum im Jahr 1984, während dessen sich ul-Haq seine Präsidentschaft für weitere fünf Jahre durch das Volk bestätigen ließ, sollte potenzielle Aggressivität der Bevölkerung gegen die sozialen Verhältnisse abzubauen, ohne die bestehenden Machtstrukturen zu verändern. Zudem legte der General den Zuspruch der Bevölkerung als Bestätigung seiner Islamisierung aus und emotionalisierte so die islamische Rechtspolitik. Gestärkt durch dieses Referendum vom Dezember 1984 - Zia ul-Haqs damalige Macht als Präsident wurde mit der Position eines Emir (in Urdu: Amir) verglichen - setzte er nach Aufhebung des Parteienverbots Parlamentswahlen für das Jahr 1985 an.

Nach einer Wahl ohne politische Parteien wurde 1985 Mohammad Khan Junejo vom Präsidenten ul-Haq als Premierminister einberufen, im Dezember wurde das Kriegsrecht aufgehoben. Doch bereits am 29. Mai 1988 entließ ihn Präsidentengeneral Zia ul-Haq mit der offiziellen Begründung, Junejos Regierung sei in Korruption verstrickt. Er wurde verantwortlich gemacht für einen Mangel an Recht und Ordnung im Lande. Die verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnisse legte ul-Haq dem Premier zur Last. Zudem sei Junejos Administration unfähig gewesen, das Islamisierungsprogramm ul-Haqs zu verwirklichen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Gründe eher in den unterschiedlichen Ansichten zur Innen- und Außenpolitik lagen.

Die daraufhin verfassungsgemäß innerhalb von 90 Tagen angesetzten Wahlen schienen den demokratischen Kräften Pakistans ein Versprechen, dass nicht eingelöst werden würde. Ul-Haq hatte die 1979 angekündigten Wahlen nicht stattfinden lassen und die bisherigen Militärherrschaften machten über der Hälfte der Zeit seit Bestehen des Landes aus. Doch Zia ul-Haqs starb bei einem Flugzeugabsturz mit zahlreichen hochrangigen Begleitern am 17. August 1988. Die Ursache ist bis heute ungeklärt. Eine aus Militärs gebildete Übergangsregierung übernahm die Staatsgewalt, dennoch führte ul-Haqs Tod nicht nur zur Realisierung des Wahlversprechens, sondern war damals in den politischen Auswirkungen ein nicht abzusehendes Ereignis.

Bemerkenswerterweise ist trotz eines Anstiegs der Armut in Pakistan in diesen Jahren ein kleiner Teil der Bevölkerung deutlich reicher geworden. Auch islamistische Kräfte wie die Jama'at-e-Islami konnten durch enorme ausländische Finanzhilfe im Zusammenhang mit dem Afghanistankrieg profitieren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Zia ul-Haqs "sunnitische" Islamisierungskonzepte kaum Platz ließen für einen multinationalen und föderalen Staatsaufbau mit regionaler bzw. lokaler Autonomie. Der Vielvölkerstaat Pakistan sollte ursprünglich die unterschiedlichen Auslegungen des Islam in einem Staat zu vereinen. Zusätzlich beinhaltete die Öffnung des Militärs für die islamischen Geistlichen ein neues, selbst heute noch nicht ganz absehbares Konfliktpotenzial. Führende Positionen beim Militär zu besetzen, war üblicherweise den Söhnen aus den einflussreichen Familien vorbehalten, die Geistlichen kamen aber aus dem Volk, das bisher keinen Zugang zur Offiziersebene hatte. Seither scheint es innerhalb der Armee auch zu Ansprüchen der Kleriker auf höhere Posten zu kommen. Doch ergibt sich hieraus sich neben den innermilitärischen Konflikten um die Offiziersposten eine weitere, nicht zu unterschätzende Gefahr.

Außenpolitische Aspekte der Zeit ul-Haqs

Der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan zu Weihnachten 1979 hatte direkte Auswirkungen auf Pakistan: Bis 1984 war die Zahl der afghanischen Flüchtlinge auf drei Millionen angewachsen. Diese lebten größtenteils entlang der afghanischen Grenze, notdürftig von der pakistanischen Regierung und internationalen Hilfsorganisationen unterstützt.

Pakistan war aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf finanzielle Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Das Verhältnis zwischen den USA und Pakistan verschlechterte sich jedoch durch die Hinrichtung Z.A. Bhuttos im April 1979.

Dazu kamen die pakistanischen Atomwaffenpläne, auf die die USA im Herbst 1979 mit einer Verschärfung seiner Außenwirtschaftsgesetze reagierten. Der amerikanische Versuch, Pakistans Vorhaben durch Sanktionen abzuwenden, führte im November des Jahres zur Erstürmung und Brandschatzung der US-amerikanischen Botschaft in Islamabad. Die wütenden und aufgebrachten Schüler und Studenten ließen sich von den Sicherheitskräften ungehindert in Sichtweite des Präsidentenpalastes aus. Das stellte den Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen zu den USA dar.

Doch die dramatischen Änderungen in der internationalen Konstellation befreiten Pakistan aus seiner zunehmend isolierten Lage. Im Iran rief Ayatollah Khomeini nach der "islamischen Revolution" eine Theokratie aus. Durch den Ausfall des Iran als regionale Ordnungsmacht für die Amerikaner, insbesondere durch die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran durch Radikale und der anschließenden Geiselnahme amerikanischer Diplomaten, erlangte Pakistan eine neue geographische und politische Bedeutung. Diese Bedeutung wuchs mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan Ende 1979, der Pakistan zum "Frontstaat" machte. In den Anfangsjahren wurde Pakistan größtenteils von den USA finanziert, um als Rückzugsgebiet für die afghanischen Mujaheddin, den Widerstandskämpfern, zu dienen. So nahm im September 1981 Zia von den Vereinigten Staaten Militär- und Wirtschaftshilfe im Wert von 3,2 Milliarden US-Dollar für einen Zeitraum von sechs Jahren an. Hauptnutznießer der Schlüsselposition in diesem Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West war das pakistanische Militär.

Zwar lag der logistische Betreuung beim pakistanischen Geheimdienst ISI (Inter Services Intelligence), der den Widerstand entsprechend dem sicherheitspolitischen Kalkül Islamabads organisierte, aber Zia ul-Haqs Politik machte die Armee zum privilegiertesten Teil der pakistanischen Gesellschaft. Pakistan waren die Forderungen der afghanischen Regierung in den siebziger Jahren nach einer Annexion der pakistanischen NWFP, in der überwiegend Paschtunen leben, noch sehr bewusst. Damals standen die beiden Länder am Rande eines Krieges. Diese "Paschtunistanfrage" versuchte man nun aus der Welt schaffen. So ließ der ISI gleich mehrere von Paschtunen dominierte Gruppierungen zu, die sich aber in ihrer tribalen Herkunft voneinander unterschieden. Durrani-Paschtunen, die das afghanische Könighaus stellten und aus pakistanischer Sicht für die "Paschtunistanfrage" verantwortlich waren, wurden in den Führungsriegen der Parteien nicht geduldet. Der ISI unterstützte die religiöse Ausrichtung der afghanischen Widerstandsparteien, da so nationalistische Tendenzen unterdrückt werden sollten.

Im August 1983 gründeten in der indischen Hauptstadt New Delhi die sieben Staaten Bangladesch, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Sri Lanka und auch Pakistan die South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) als Gruppe für gemeinsame regionale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, technischem und kulturellem Gebieten.

Die durch ausländische Finanzierungen begünstigte monetäre Besserstellung des Militärs intensivierte das beginnende Wettrüsten mit dem Erzfeind Indien. Das resultierte im Juni 1984 in heftigen indisch-pakistanischen Zusammenstößen im abgelegenen Gebiet des Siachen-Gletscher. Einige Beobachter gehen davon aus, dass ohne die großzügige finanzielle Unterstützung der US-Amerikaner Zia ul-Haq sich nicht lange an der Macht halten hätte können. Neben europäischen Ländern versucht Saudi-Arabien bis heute, durch monetäre Zuwendungen die Entwicklungen zu beeinflussen. So gelang es der saudischen Regierung über Finanzhilfe für die afghanischen Mujaheddin, massiven Einfluss in Pakistan zu erhalten. Die Zahlungen gingen bis Ende der achtziger Jahre weit über die der Amerikaner hinaus. Dabei wurden nicht nur fundamentalistische Gruppen und Parteien finanziert, sondern eben auch Madrassas, beispielsweise durch Bereitstellung von Lehrpersonal in Madrassas der Ahl e-Hadith.

Der pakistanische Geheimdienst ISI spielte bei der militärischen Ausbildung der freiwilligen Krieger eine entscheidende Rolle.

Kurz vor dem überraschenden Tod Zia ul-Haqs explodierte ein riesiges Munitionsdepot in Rawalpindi am Stadtrand der Hauptstadt Islamabad, dabei starben über 300 Menschen. Das Depot diente dem pakistanischen Geheimdienst zur Ausstattung der afghanischen Mujaheddin. Es wurde vermutet, dass der afghanische pro-sowjetische Geheimdienst KHAD hinter den Taten steckte.

Die demokratische Dekade (1988 bis 1999)

Für den vorangegangenen Abschnitt der pakistanischen Geschichte ist die Stärke des Militärs, beziehungsweise die Schwäche der demokratischen Institutionen, kennzeichnend. Das Militär war ein bedeutender Faktor bei der Islamisierung der Gesellschaft gewesen, aber auch Politiker instrumentalisierten die Religion für politische Zwecke , wie das Beispiel Z.A. Bhutto zeigte.

Interims-Nachfolger Zia ul-Haqs als Staatspräsident wurde bis Dezember 1988 Ghulam Ishaq Khan, der bisher Senatspräsident gewesen war. Er ließ im Herbst des Jahres Parlamentswahlen abhalten, die ursprünglich von ul-Haq anberaumt wurden, dann aber doch wieder verschoben wurden sollten.

Die Tochter Zulfikar Ali Bhuttos, Benazir Bhutto, die nach der Aufhebung des Parteienverbots ul-Haqs 1985 im folgenden Jahr nach Pakistan zurückgekehrt war, und in den frühen achtziger Jahren im Exil die Führung der PPP übernommen hatte, stellte sich den Wahlen. Durch ein Übermaß an Zugeständnissen und Kompromissen mit gegenläufigen politischen Akteuren gelang es ihrer PPP, die allgemeinen Wahlen im November 1988 für sich zu entscheiden.

Im Oktober 1989 wurde Pakistan wieder Mitglied des britischen Commonwealth of Nations. Seit Anfang 1990 flammten erneut blutige Unruhen in Kashmir auf. Im von Indien besetzten Teil nahmen vermehrt muslimische Gruppen den bewaffneten Kampf auf um einen unabhängigen Staat, bzw. um einen Anschluss an Pakistan zu erzwingen.

B. Bhutto hatte das Amt als erste weibliche Regierungschefin eines islamischen Staates aber nur für knapp zwei Jahre inne. Das Militär war weiterhin eine mächtige und mitbestimmende Institution, ebenso wie das Präsidentenamt. Der Präsident war es auch, der Bhuttos Regierung im August 1990 mit dem Vorwurf der Korruption und des Amtsmissbrauches absetzte und den Notstand ausrief.

Die Verhaftung Benazir Bhuttos, der Parteichefin der PPP, verhinderte bei den Wahlen im Oktober 1990 einen erneuten Sieg ihrer Partei. Der Spitzenkandidat Mohammad Mian Nawaz Sharif der Islamischen Demokratischen Allianz (IJI), eines Wahlbündnisses religiös-konservativer Parteien unter Führung der Pakistan Muslim League (PML), gewann die anschließenden Neuwahlen. Sharif wurde am 6. November 1990 als Premierminister vereidigt. Während seiner Amtszeit setzte er die Reprivatisierung der Staatsbetriebe fort, die in den 1980er Jahren begonnen hatte, und öffnete das Land ausländischen Investoren. Sharif beabsichtigte, sicherlich gebunden durch sein Wahlbündnis mit den o.g. Parteien, das islamische Recht verbindlich zu machen. Außerdem strebte er an, die Spannungen mit Indien zu verringern. Doch auch Sharif überstand keine volle fünfjährige Amtszeit. Präsident Ishaq Khan entließ Sharif im April 1993 und löste das Parlament auf. Sharif rief daraufhin das Oberste Gericht an, das Khans Vorgehen als verfassungswidrig befand und Sharifs Wiedereinsetzung als Premierminister veranlasste. Um den folgenden Machtkampf zwischen Sharif und Ishaq Khan, der Pakistans Regierung lähmte, zu beenden, traten im Juli 1993 letztendlich beide gemeinsam zurück. Der mittlerweile von der PML abgespaltene Flügel Sharifs, die Pakistan Muslim League - Nawaz (PML-N), verlor bei den Neuwahlen im Oktober 1993. Abermals gewann Benazir Bhuttos Pakistan People´s Party, die, nachdem Anschuldigungen wegen Korruption fallengelassen worden waren, an die Parteispitze zurückgekehrt war.

Unter der neuen Regierungschefin nahmen die Spannungen mit Indien wieder zu, da sie offen den muslimischen Widerstand in dem von Indien kontrollierten Teil Kashmirs unterstützte. Zudem kündigte B. Bhutto eine Weiterverfolgung des pakistanischen Programms zur Entwicklung von Atomwaffen an und beschleunigte dadurch das südasiatische Wettrüsten.

Trotz weitreichender Verbindungen der islamistischen Parteien ins Ausland, die in den neunziger Jahren vermehrt durch militärische und religiöse Ausbildungen auch in Verbindung mit internationalen Konfliktgebieten auftraten, konnten diese bei den Wahlen von 1993 nur neun Sitze in der Nationalversammlung gewinnen. Dennoch nahm der Einfluss islamistischer Aktivisten in den neunziger Jahren zu. Seither sind immer wieder Fälle von Übergriffen gegen religiöse Minderheiten bekannt geworden.

Auch der Staat forcierte die Diskriminierung der Minderheiten: Ein Beschluss der Nationalversammlung von 1991 band die Strafgesetzgebung an die Übereinstimmung mit der Scharia. Gotteslästerung wurde mit der Todesstrafe belegt. Die von Benazir Bhutto geführte Regierung, die diese Gesetzesänderungen befürwortet hatte, geriet nach einigen spektakulären Fällen bezüglich dieser Strafgesetzgebung im Februar 1995 (etwa Verhängung von Todesurteilen über zwei Christen, darunter ein vierzehnjähriges Kind), unter Druck - auch des Auslands. Die Regierung schob die Entscheidung über eine eventuelle Revision der Gesetzgebung an das Oberste Gericht ab. Zusätzlich gelang es der Regierung weder, die wachsende Staatsverschuldung abzuwenden, noch die kommunalistischen Unruhe im Sindh - insbesondere in Karachi - einzudämmen.

Nach dem Rücktritt von Ghulam Ishaq Khan wurde im November 1993 Farooq Ahmed Khan Leghari, der unter Mohammed Zia ul-Haq als Vertrauter des hingerichteten Zulfikar Ali Bhutto einige Jahre im Gefängnis verbrachte, neuer Staatspräsident. 1994 rief die religiös-konservative Opposition unter Ex-Regierungschef Nawaz Sharif zu Gewalttätigkeiten gegen die Regierung Benazir Bhuttos auf, um sie aus dem Amt zu vertreiben. Bereits 1995 zeichnete sich ab, dass die Versprechen der Premierministerin vor den Wahlen von 1993, nämlich für bessere Lebensbedingungen der armen Landbevölkerung zu sorgen, nicht in Taten umgesetzt werden würden. Das lag sicherlich auch an den Weigerungen der Großgrundbesitzer "auch nur einen Quadratmeter Land abzugeben".

Die sozialen Konflikte im Land verschärften sich, als in Jahr 1995 fanatische Islamisten versuchten die Einführung der Scharia durch Geiselnahmen und Besetzung öffentlicher Gebäude zu erzwingen. Dabei kamen in der Millionenmetropole Karachi bei religiösen Unruhen über 2.000 Menschen ums Leben. Insgesamt nahm die Serie von religiösen Konflikten zu. So wurden beispielsweise 1996 in einer Moschee in Multan 20 Menschen getötet, als schiitische Angreifer in der betenden Menge sunnitischer Gläubiger ein Blutbad anrichteten. Woraufhin es in der Stadt zu Straßenschlachten zwischen den Anhängern radikaler schiitischer und sunnitischer Parteien kam.

Trotz der ehemaligen Verbindung zu ihrem Vater sah sich Präsident Leghari nicht gehindert am 5. November 1996 Premierministerin Bhutto - bereits das zweite Mal - abzusetzen und die Nationalversammlung aufzulösen. Begründet wurden dieser Entschluss dadurch, dass Benazir Bhutto das Land unzureichend regiert habe. Man warf ihr Korruption unter ihren Ministern vor. Auch der Polizei-Terror sei von ihrer Regierung geduldet worden, was die Unabhängigkeit der Justiz offen untergrabe.

Präsident Leghari ernannte den achtzigjährigen Mairaj Khalid zum Übergangs-Premier. Dieser entließ umgehend mehr als 50 von Bhutto ernannte Beamte. In allen vier Provinzen des Landes wurden ranghohe Zivil- und Polizeibeamte abgelöst und der Chef des Inlandgeheimdienstes IB festgenommen.

Die Auslandsverschuldungen nahmen unvermindert zu und belasteten Anfang 1997 Pakistan mit rund 30 Milliarden US-Dollar.

Bei den Neuwahlen am 3. Februar 1997 erlangte Mian Nawaz Sharifs PML-N eine zwei Drittel-Mehrheit in Koalition mit der Awami National Party (ANP) und der MQM. Das dokumentierte die vernichtende Niederlage der PPP.

Die parlamentarische Stärke der PML-N ermöglichte Nawaz Sharif die Besetzung zahlreicher Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft mit Vertretern seiner Wahl. Im Zuge des Treffens der Außenminister Indiens und Pakistans im April 1997 wurden die seit acht Jahren abgebrochenen Verhandlungen über die Zukunft Kashmirs zwischen den beiden Staaten erstmals wieder aufgenommen.

Als Nawaz Sharif durch mehrere Verfassungsänderungen die Macht des Premierministers zu ungunsten des Staatspräsidenten erweiterte, führten diese neuerlichen Änderungen im Juli 1997 zum offenen Streit zwischen ihm und Sajad Ali Shah, dem Obersten Richter. Dieser hatte versucht, die Änderungen abzuschmettern, was Sharif mit dessen Absetzung beantwortete.

Nach über 50 Toten bei Artilleriegefechten zwischen indischen und pakistanischen Truppen im Grenzgebiet Kashmirs im September und Oktober des Jahres, erhielten die laufenden bilateralen Friedensverhandlungen einen schweren Rückschlag. Trotz internationaler Aufrufe, beispielsweise im Rahmen des mehrtägigen Staatsbesuch Queen Elizabeth II. in Pakistan im Oktober 1997, den Kampf um Kashmir zu beenden und eine Aussöhnung mit Indien herbeizuführen, wurden die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Nachbarn ergebnislos abgebrochen.

Präsident Farooq Leghari trat im Dezember 1997 ebenfalls nach einem Machtkampf mit Sharif zurück. Dessen Nachfolger wurde Mohammad Rafiq Tarar, der am 31. Dezember 1997 von einem Wahlgremium aus Mitgliedern des Ober- und Unterhauses sowie Abgeordneten der vier Provinzparlamente zum neuen Präsidenten Pakistans gewählt wurde. Der ehemalige Richter Tarar, der als enger Vertrauter Sharifs galt, gehörte der konservativen islamischen Gruppe Tanzim Ahrar an, die nach Ansicht verschiedener pakistanischer Abgeordneter in extremistische Aktivitäten verwickelt sein sollte. Im Rahmen seiner Antrittsrede verkündete er, die Rolle des Islam in Pakistan stärken zu wollen.

Anfang 1998 forderte nach Angaben der Behörden die schlimmste Hochwasserkatastrophe dieses Jahrhunderts in der südwestlichen Provinz Baluchistan rund 1.250 Menschenleben.

Ende Mai wurden in dieser Provinz auch die ersten pakistanischen Nukleartests durchgeführt. Diese sollten als Reaktion auf die indischen Tests gesehen werden, die kurz zuvor stattgefunden hatten. Daraufhin verhängten die USA Wirtschaftssanktionen gegen das Land, und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) stoppte die Auszahlung von bereits bewilligten Krediten in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar.

Im Oktober 1998 billigte die Nationalversammlung mit 151 zu 16 Stimmen - 50 Abgeordnete boykottieren die Abstimmung - eine von Sharif vorgelegte Verfassungsänderung, die in Pakistan die Scharia zum alleinigen Rechtssystem machen sollte. Offenbar wollte Sharif den Wähler des extremreligiösen Spektrums entgegenkommen. Die Abstimmung der zweiten Kammer des Parlaments, des Senats, in dem Sharifs PML-N nicht über die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfügte, wurde vertagt. Dadurch existierte das bisherige westliche Recht aus britischer Kolonialzeit und die Scharia auch weiterhin nebeneinander.

Im November 1998 erreichte das kurz vor dem Staatsbankrott stehende Land - die Auslandsverschuldung war mittlerweile auf 32 Milliarden US-Dollar angestiegen - in den USA eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen sowie die Auszahlung von IWF-Krediten. So bewilligte im Januar 1999 der Internationale Währungsfonds (IWF) neue langfristige Kredit in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar. Zudem gewährten die Gläubigerstaaten Pakistan einen Zahlungsaufschub bis Ende 2001.

Per Dekret setzte Regierungschef Nawaz Sharif Mitte Januar 1999 in den an Afghanistan angrenzenden Provinzen die Scharia als alleiniges Rechtsprinzip ein. Als Begründung gab er an, dass die sprunghaft angestiegene Kriminalität in diesen Regionen mit den bisherigen Gesetzen nicht einzudämmen gewesen sei.

Im Februar 1999 kam es zwischen Pakistan und Indien überraschend zu einer vorübergehenden Annäherung. Zusammen mit seinem indischen Amtkollegen Atal Behari Vajpayee verabschiedete Sharif in Lahore eine Deklaration, in der beide Seiten ihre Bereitschaft zur Beilegung der Konflikte erklärten. Diese Bemühungen wurden jedoch bald zunichte gemacht.

Bereits im April 1999, nur drei Tage nach dem Testflug der indischen Mittelstreckenrakete Agni II zündete auch Pakistan die Ghauri II, eine Rakete zu Testzwecken. Beide Raketen verfügen über eine Reichweite von rund 2.000 Kilometern und können ebenfalls mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden.

Im Mai 1999 spitzte sich der Dauerkonflikt um Kashmir dramatisch zu: Die indische Luftwaffe flog zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder Angriffe gegen muslimische Rebellen, die von der pakistanischen Seite des zwischen beiden Ländern geteilten Kashmirs, angeblich im Auftrag der Regierung Pakistans, auf das von Indien kontrollierte Gebiet vorgedrungen waren, um dort Stützpunkte zu errichten. Die Regierung in Islamabad bestritt jegliche Beteiligung und warf Indien ihrerseits vor, mehrere Bomben seien im pakistanischen Teil Kaschmirs eingeschlagen, und drohte Delhi mit Vergeltungsmaßnahmen. Gespräche im Juni 1999 zwischen den Außenministern der beiden Länder wurden ergebnislos abgebrochen. Während Indien mit einer Eskalation der Kampfhandlungen drohte, falls Pakistan seine Truppen nicht aus dem indischen Teil Kashmirs zurückziehe, bestritt die Führung in Islamabad, Soldaten auf indisches Territorium entsandt zu haben und warf Indien seinerseits den Einsatz von Chemiewaffen vor. Nach Angaben des indischen Außenministeriums wurden 510 Eindringlinge getötet, darunter 270 pakistanische Soldaten. Die Situation erreichte einen beängstigenden Höhepunkt, als im Juni Pakistan mit dem Einsatz von Atomwaffen drohte, falls die Kargil-Krise weiter eskalieren sollte. Nach der Eroberung des strategisch wichtigen Tiger-Berges, von dem aus die bedeutsamste Straße der Region zwischen Srinagar und Leh beschossen werden konnte, drohte die Situation zu Gunsten Indiens zu kippen. Nach zehn Wochen gab Sharif dem internationalen Druck nach und ordnete insbesondere auf Drängen der USA (Kurzbesuch bei US-Präsidenten Clinton) einen Truppenrückzug an. Sein "Nachgeben" verübelten ihm nicht nur Extremisten und Hardliner - auch die Armee fühlte sich verraten.

Diese schwersten militärischen Auseinandersetzungen seit dem indisch-pakistanischen Krieg von 1971 kosteten ca. 410 indischen Soldaten, 135 getöteten Rebellen und etwa 700 pakistanischen Soldaten das Leben.

Einen weiteren Tiefpunkt der bilateralen Beziehungen stellte der Abschuss eines Aufklärungsflugzeug der pakistanischen Marine durch indische Kampfjets im August dar. Beide Seiten behaupteten, das Flugzeugwrack auf ihrem Staatsterritorium geborgen zu haben - was die Unrechtmäßigkeit des Abschusses beweisen sollte. Als am Folgetag die pakistanische Luftabwehr ein indisches Kampfflugzeug unter Beschuss nahm, das drei Hubschrauber mit Journalisten an Bord zur Fundstelle des abgeschossenen Jets an der Grenze begleitete, wurden sowohl die indischen als auch die pakistanischen Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Pervez Musharrafs Militärregierung (seit 1999)

Die Armee beendete am 12. Oktober 1999 durch einen unblutigen Militärputsch die elfjährige Suche Pakistans nach demokratischen Verhältnissen. Viele Pakistanis begrüßen die Absetzung Nawaz Sharifs, fordern jedoch zugleich eine rasche Rückkehr zu einer Zivilregierung. Außerhalb Pakistans wuchs die Sorge, dass der Konflikt zwischen den Atomstaaten Indien und Pakistan um Kashmir außer Kontrolle geraten könnte. Als neuer "starker Mann" übernahm General Pervez Musharraf die Macht im Land am Indus.

In New Delhi machte man den General dafür verantwortlich, dass die pakistanischen Rebellen in den indischen Teil Kashmirs im Frühsommer 1999 eingedrungen waren. Indien zeigte sich äußerst besorgt und versetzt in erster Reaktion die Armee abermals in höchste Alarmbereitschaft.

Der offenbar von langer Hand vorbereitete Militärputsch vom Oktober 1999 war die Reaktion General Musharrafs auf den Versuch des Premierministers Nawaz Sharif, ihn als Generalstabschef abzusetzen. Die Machtübernahme der Militärs rief eine Ablehnung bei den Ländern der Europäischen Union, Japans und den USA hervor. In ersten Reaktionen forderten sie die Wiedereinführung der demokratischen Verhältnisse.

Obwohl Militärs und ihre Verbündeten die Ministerien besetzten, kam es nicht zu grundverschiedenen Tendenzen im Land: Nach wie vor bestimmen Themen wie religiöse und kommunale Konflikte das Zeitgeschehen. Scheinbar unausweichlich steht Kashmir im Weg zwischen den durchaus erwünschten bilateralen Beziehungen zu Indien. So lag dieses Thema auch weiterhin an zentraler Stelle in den Medien und im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses in Pakistan. Der Putschistengeneral machte bereits kurz nach seiner Machtübernahme klar, den nach Unabhängigkeit oder Anschluss an Pakistan strebenden separatistischen Bewegungen und Gruppierungen weiterhin Unterstützung zu gewähren.

Das unverhältnismäßig hohe Militärbudget (inoffiziell über 50%) belastete die unter den Sanktionen der US-Amerikaner als Reaktion auf die Atombombentests von 1998 ächzende Wirtschaft des Landes. Der Rüstungswettlauf mit Indien fand wohl eindeutig zu Lasten der Bevölkerung statt. Die zunehmende Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Afghanistan sorgte insbesondere in den grenznahen Provinzen NWFP und Baluchistan für verstärkte Probleme, die dem Land seine Abhängigkeit von ausländischer Unterstützung offenbarte. Der gesellschaftliche Einfluss religiöser und islamistischer Gruppierungen und Parteien wuchs auch unter der Militärherrschaft Pervez Musharrafs unvermindert weiter. So gab es in den gemäßigten Teilen der muslimischen Bevölkerung zunehmend Befürchtungen einer "Talibanisierung". Damit wurde auf den steigenden Einfluss angespielt, der vom Nachbarland Afghanistan in Form einer Radikalisierung der islamischen Gesellschaft durch die Umsetzung restriktiver sunnitisch--fundamentalistischer Ansichten ausging.

Vermutlich als Reaktion auf die Drohung der Vereinten Nationen, Sanktionen gegen Afghanistan zu verhängen, wenn dieses dem mutmaßlichen saudi-arabischen Terroristen Osama Bin Laden weiterhin Gastrecht gewährt werden, kam es in Islamabad im November 1999 zu Raketenanschlägen auf die Botschaft der USA und Einrichtungen der UNO durch Unbekannte. Zu Ende des Jahre 1999 beschloss der Commonwealth den Ausschluss Pakistans aus dem Staatenverbund bis zur Rückkehr zu geforderten demokratischen Verhältnissen.

Nachdem im Januar 2000 der bisherige Gerichtspräsident und fünf weitere Richter des Obersten Gerichtshofs in Islamabad den Eid auf eine provisorische Verfassung verweigerten, wurden sie ihrer Ämter enthoben. Die anderen sieben Richter leisteten den Schwur, der den Militärputsch gegen Regierungschef Mian Nawaz Sharif unter Straffreiheit stellte. Damit war das Militärregime von General Musharraf vor jeglicher Strafverfolgung sicher. Gegen Sharif begann ein Prozess wegen Machtmissbrauch, Korruption, versuchten Mordes und Terrorismus. Im Rahmen eines Kurzbesuches, nach längeren Aufenthalten in Bangladesch und Indien, forderte der amerikanische Präsident Bill Clinton im März 2000 in Islamabad die Militärmachthaber zur schnellen Rückkehr zur Demokratie und zum Dialog mit Indien über den Konflikt in der Kashmir-Region auf.

Im April 2000 wurde Ex-Regierungschef Sharif wegen Flugzeugentführung und Terrorismus zu zweimal lebenslänglich, und wegen Korruption und persönlicher Bereicherung im Juli 2000 zusätzlich zu 14 Jahren Arbeitslager verurteilt. Im Dezember 2000 begnadigte General Musharraf seinen Vorgänger und erlaubt ihm und seiner ganzen Familie die Ausreise nach Saudi-Arabien.

Im Juni 2001 löste der Militärmachthaber Musharraf das Parlament und die Provinzkammern auf, erklärte den seit 1997 amtierenden Staatspräsidenten Mohammed Rafiq Tarar für abgesetzt und übernahm selbst das Präsidentenamt.

Im Rahmen eines dreitägigen Indien-Besuches General Musharrafs im Juli 2001 konnte bei Gesprächen mit der indischen Regierung keine Einigung über eine abschließende gemeinsame Erklärung gefunden werden. Dennoch wurde dieser erste offizielle Kontakt zwischen den beiden südasiatischen Staaten als ernster Schritt aufeinander zu gewertet.

Die Auslandverschuldung Pakistans belief sich Ende 2000 auf ca. 37 Milliarden US-Dollar, einer Summe, die auch der gegenwärtige Militärregierung ihr Abhängigkeitsverhältnis von internationalen Geldgebern vor Augen führt.

Die globalen Auswirkungen des Terroranschläge vom 11. September 2001 bescherten Pakistan eine neue Position innerhalb der internationalen Staatenwelt. Musharrafs schwierige Balance sichert seinem Land seither großzügige Prämien für seine Kriegsgefolgschaft und dem Diktator internationale Anerkennung (Besuch in Paris, London und den USA). Langfristig könnte das aber die Akzeptanz islamistischer Positionen in der Bevölkerung - die die Angriffe der "Allianz gegen den Terror" auf Afghanistan mehrheitlich ablehnt - erhöhen.

Anmerkungen

(1) Der Begriff Ulama bezeichnet islamische Religionsgelehrte, die sich mit theologischen und religiös-rechtlichen Studien befassen (Singular: Alim)

(2) Die Fertigstellung des Karakorum Highway, einer ganzjährig befahrbaren Verbindung zwischen China und Pakistan durch das Hochgebirge, erfolgte 1982.

(3) Gemeint sind die aus dem Bagdad-Pakt hervorgegangene Central Treaty Organization (CENTO) und seit 1964 die Regional Cooperation for Development

(4) Sunna, wörtlich: "ausgetretener Weg", Tradition, Brauch. Zur Sunna gehören sowohl die Worte als auch die Taten des Propheten, die in Hadithen überliefert sind. Sie bilden eine Ergänzung zum Koran, der Hauptquelle des islamischen Glaubens.

(5) Dieser mit "islamische Ordnung" übersetzte moderne Begriff wird meist von Islamisten verwendet, um das islamische Gesellschaftsmodell von der westlichen Moderne abzugrenzen.

(6) Die Gemeinschaft der islamischen Gläubigen. Der Begriff wird auch häufig zur Bezeichnung des Begriffs Nation verwendet.

(7) Die Scharia wurde aus dem Koran, Hadith - Sammlungen glaubhafter Überlieferung des gelebten Vorbilds Mohammads - , Idjma (Konsens der Gelehrten) und weiteren Quellen als verbindlicher Verhaltenskodex konzipiert.

(8) Zakat (arabisch: Zaka - reinigen, wachsen) ist die Pflicht des Menschen gegenüber Gott eine soziale Abgabe zu leisten und so sein Vermögen zu reinigen. Dabei werden, laut der Scharia, 2.5% der Jahresersparnisse abgegeben. erklärt.

(9) Die islamische Sekte der Ahmadiyya wurde 1880 von Hazrat Mirza Ghulam Ahmad aus Qadian in Britisch Indien gegründet. Religionsstifter Ahmad behauptete, der verheißene Messias - Mahdi - zu sein. Die Ahmadiyya bzw. Qadjani wurden seit Pakistans Staatsgründung diskriminiert und 1984 unter ul-Haq zu "Non-Muslims"

Quellen

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