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02. August 2000. Malediven Staat und Politik

Verfassung und politisches System

Am 26. Juli 1965 erlangten die Malediven nach knapp 80jähriger britischer Protektoratsherrschaft ihre volle Souveränität. Im März 1968 nahm die Bevölkerung per Referendum die Verfassung an, die am 11. November 1968 in Kraft trat. Damit wurde aus dem Sultanat eine Republik mit einem stark zentralisierten präsidialen Regierungssystem und dem Islam als Staatsreligion. Seitdem wurde die Verfassung viermal geändert - zuletzt Anfang 1998. Zwar sind wesentliche Grundrechte, wie z.B. Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch die Verfassung geschützt, aber diese dürfen nur im Rahmen des islamischen Rechts, der Sharia, ausgeübt werden.

Die Legislative liegt bei einem Ein-Kammern-Parlament, der Majlis, der seit 1998 50 Mitglieder angehören. Je zwei Abgeordnete werden von den 20 Atollen als Verwaltungsbezirken gewählt und zwei von der Hauptstadt Male. Weitere acht Abgeordnete werden vom Präsidenten berufen. Eine Legislaturperiode beträgt fünf Jahre. Die letzten Wahlen zur Majlis fanden im November 1999 statt. Obwohl die Gründung von politischen Parteien nicht verboten ist, gibt es keine formalen Parteien. Kandidaten für die Wahlen zur Majlis treten als Unabhängige an, vertreten aber "informell" bestimmte Richtungen.

Staatsoberhaupt ist der mit Exekutivgewalt ausgestattete Präsident, der für jeweils fünf Jahre per Referendum bestimmt wird. Seit Anfang 1998 können sich Kandidaten selbst für die geheime Wahl nominieren, in der die Majlis den Präsidentschaftsbewerber für das Referendum bestimmt. Eine Wiederwahl ist unbegrenzt möglich. Der Präsident ernennt das Kabinett, dessen Mitglieder dem Parlament einzeln gegenüber verantwortlich sind. Erster Präsident war Ibrahim Nasir, schon vor 1968 Premierminister des Sultanats. Ihm folgte 1978 Maumoon Abdul Gayoom, der 1983, 1988, 1993 und zuletzt am 16. Oktober 1998 bei 76% Wahlbeteiligung mit 91% der Stimmen im Amt bestätigt wurde.

Grundlage des maldivischen Rechtssystem ist die Sharia im Rahmen der scha´afitischen Rechtsschule. Daneben hat das britische Common Law seine Spuren insbesondere im Handelsrecht hinterlassen. Da der Präsident nach der Verfassung oberster Autorität für die Verkündung des Islam ist, ernennt er alle Richter der Inselrepublik, die die Sharia interpretieren und Recht sprechen. Damit ist die Judikative auf den Malediven nicht unabhängig, sondern untersteht als Arm der Exekutive dem Justizministerium. Neben dem Obersten Gericht (High Court) in Male, sowie weiteren vier Gerichten in der Hauptstadt gibt es etwa 200 Inselgerichte. Seit Anfang 1999 überwachen die Inselgerichte in den Hauptorten der 20 Atolle die Justiz der jeweiligen Inselgruppen. Seit 1995 existiert ein den Präsidenten beratendes Gremium, das Advisory Council of Judical Affairs, als oberste Berufungsinstanz. Seit 1937 sind drakonische Körperstrafen wie das Abhacken der Hand von Dieben abgeschafft. Hauptstrafe war und ist das Verbannen auf eine abgelegene Insel. Der Islam und das enge Gemeinschaftsleben bedingten eine sehr niedriges Niveau der Kriminalität. So soll es beispielsweise zwischen 1916 und 1966 keinen einzigen Mord gegeben haben. Allerdings nehmen seit der Öffnung für den Tourismus in Male die Diebstähle zu.

Die Malediven sind in 21 Verwaltungsbezirke unterteilt. Neben der direkt von der Zentralregierung verwalteten Hauptstadt Male, liegt die Administration in den 20 Atollen (Atolhu) in den Händen eines vom Präsidenten ernannten Atollchefs (Verin). Dieser ist für Recht und Ordnung verantwortlich. Das Amt des Verin steht in der Tradition der Distriktbeamten britischer Kolonialverwaltungen in Südasien. Ihm unterstehen die Inselchefs (Kathib), die u.a. für das Führen der Personenstandsregister, die Landverteilung und Streitschlichtungen zuständig sind. Auf den südlichen Atollen ist das Amt des Inselchefs de facto erblich, allerdings liegt die Aufsicht über die Administration beim Ministerium für Atollverwaltung.

Das Land unterhält keine Streitkräfte, sondern nur einen freiwilligen National Security Service (NSS), der gleichermaßen polizeiliche und militärische Aufgaben wahrnimmt. Er ist verantwortlich für die innere Sicherheit sowie für den Schutz der Territorialgewässer vor illegalen Fischern und Schmugglern. Bis Ende der 1980er Jahre zählte der NSS nur etwa 1.000 Mitglieder. Nach einem Putschversuch gegen Präsident Gayoom im Jahr 1988, der mit Hilfe der indischen Armee vereitelt wurde, wurde der NSS vergrößert und für Frauen geöffnet. 1999 zählte er etwa 2.000 Mitglieder.

Innenpolitik

Obwohl es auf den Malediven keine Parteien im westlichen Sinne gibt, ist die Innenpolitik von Richtungskämpfen geprägt, die sich hinter den Kulissen abspielen. Diese Konflikte werden auf der Grundlage von personellen Allianzen innerhalb der Landeselite ausgefochten. Mehr als 20 Jahre wurden die politischen Geschicke der Malediven von dem dominanten Zirkel um Premier bzw. Präsident Ibrahim Nasir bestimmt, der das Land mit harter Hand regierte und sich selten in der Öffentlichkeit zeigte. Sein plötzliches Verlassen der Inseln, das später mit dem Verdacht auf Amtsmißbrauch in Verbindung gebracht wurde, beendete 1978 eine politische Ära.

Eine neue Gruppe um Maumoon Abdul Gayoom, einem ehemaligen Diplomaten und Kabinettsmitglied, übernahm im November 1978 die Macht nach friedlichen Wahlen. Gayoom trat das Präsidentschaftsamt mit den Versprechen an, die Bürgerrechte wiederherzustellen, die Verwaltung zu dezentralisieren und die Entwicklung der peripheren Inseln zu forcieren. Dennoch sind bis heute kritische Stimmen nicht verstummt, die der Gayoom-Administration Korruption und Vetternwirtschaft vorwerfen. Gayooms Kabinett, mit Verwandten in Schlüsselpositionen, wurde in der Vergangenheit als "Küchenkabinett" bezeichnet, das von konservativen Angehörigen traditioneller Eliten dominiert wurde, die einen starken Einfluß auf einen relativ schwachen, aber populären Präsidenten ausübten.

Wiederholt wurde die Herrschaft Gayooms herausgefordert. 1980 wurden Pläne für einen Putsch aufgedeckt, als dessen Drahtzieher der im Exil lebende Ex-Präsident Nasir verdächtigt wurde. Im November 1988 landeten 150 tamilische Söldner unter Führung des ehemaligen maldivischen Geschäftsmannes Abdullah Luthufi auf den Malediven, um gegen das Gayoom-Regime zu putschen. Gayoom erbat Hilfe von Indien, das den Putschversuch durch die schnelle Entsendung von 1.600 Soldaten beendete.

Versuche demokratischer Reformen treffen bis heute auf den Widerstand konservativer Kräfte in der Regierung. So scheiterten 1990 eine Riege jüngerer Präsidentenberater mit ihrer Forderung, das Verbot regierungskritischer Äußerungen abzuschaffen. Noch im selben Jahr wurden regierungsunabhängige Pressestimmen verboten und kritische Journalisten inhaftiert. Im Mai 1990 bildete Präsident Gayoom sein Kabinett, entließ seinen Schwager und Rivalen, Ilyas Ibrahim, wegen Amtsmißbrauch und übernahm dessen Amt als Minister für Verteidigung und nationale Sicherheit. Gayoom stärkte seine Position weiter, indem er im Laufe der 1990er Jahre auch noch das Finanzministerium und den Vorsitz der Zentralbank übernahm.

Als Ilyas Ibrahim den Versuch wagte, bei den Präsidentschaftswahlen 1993 als Gegenkandidat zu kandidieren, wurde er wegen verfassungswidrigen Verhaltens angeklagt, konnte aber außer Landes fliehen. In Abwesenheit wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt und bei seiner Rückkehr 1996 unter Hausarrest gestellt. Ein vorläufiges Ende scheint die Rivalität der beiden Verwandten mit der Ernennung Ibrahims zum Minister für Transport und Zivilluftfahrt im November 1998 gefunden zu haben. Weniger einflußreiche Oppositionelle, die in jüngerer Vergangenheit den Ablauf von Wahlen kritisiert oder gegen wirtschaftspolitische Maßnahmen protestiert hatten, sitzen weiterhin in Haft.

Außenpolitik

Als ehemaliges britisches Protektorat haben die Malediven enge Beziehungen zu Großbritannien und sind seit 1985 Vollmitglied des Commonwealth. Seit 1942 unterhielt Großbritannien Militärstützpunkte auf einigen Inseln. Im Laufe der 1970er Jahre räumte Großbritannien diese Stützpunkte jedoch noch vor Ablauf einer 1956 vereinbarten 30-Jahres-Frist. Der Militärflughafen auf der Insel Gan im Addu-Atoll wurde 1976 als letzter britischer Stützpunkt geräumt.

Ansonsten verfolgten die Malediven eine Politik der Blockfreiheit. Im Oktober 1977 lehnten sie das Angebot der Sowjetunion ab, den verlassenen Luftwaffenstützpunkt auf Gan zu pachten. Mit dem Ziel, den Frieden im Indischen Ozean zu sichern und Wirtschaftshilfe zu erhalten, bemühten sich die Regierungen um freundschaftliche Beziehungen zu den Staaten der Welt.

Engere Beziehungen unterhält Male zu Indien, das seit dem außenpolitischen Kurswechsel unter Indira Gandhi die regionale Vorherrschaft beansprucht. 1976 unterzeichneten beide Staaten ein Abkommen zur Demarkation der maritimen Grenzen, und Indien unterstützt die maldivische Regierung durch Militärhilfe, so z.B. durch die Entsendung von Truppen zur Niederschlagung des Putschversuches von 1988.

Auf multilateraler Ebene sind die Malediven in diversen internationalen Organisationen vertreten. Seit 1965 sind sie Mitglied der Vereinten Nationen (UNO) und seit 1978 der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IMF). 1985 gehörten sie zu den Gründungsmitgliedern der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC), für die Male 1990 und 1997 die Gipfeltreffen ausrichtete. Zu einer Überlebensfrage ist das Engagement der Malediven für den Klimaschutz in der Alliance of Small Islands States (AOSIS) geworden, da die Inselrepublik von den Folgen des Treibhauseffektes und dem Ansteigen des Meeresspiegels akut in ihrer Existenz bedroht ist. Die Hauptstadt Male war im November 1989 Schauplatz der ersten AOSIS-Konferenz.

Quellen

  • M. Adeney und W.K. Carr (1975): The Maldives Republic, in: John M. Ostheimer (Hg.): The Politics of the Western Indian Ocean Islands, New York: Praeger
  • Urmila Phadnis und Ela Dutt Luithui (1981): The Maldives Enter World Politics, in: Asian Affairs, 8, Januar-Februar 1981, S.166-79.
  • Urmila Phadnis und Ela Dutt Luithui (1985): Maldives. Winds of Change in an Atoll State, New Delhi: South Asian

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