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25. Mai 2009. Interviews: Politik & Recht - Indien Landbesitz ist der Schlüssel zur Ernährungssicherheit

Interview mit der Trägerin des Alternativen Nobelpreises Krishnammal Jagannathan

Vom 18.5. – 30. Mai 2009 ist Krishnammal Jagannathan auf Einladung der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW) in Deutschland (Termine siehe unten). 2008 wurde die 82-Jährige für ihr lebenslanges Engagement für die Rechte von Kastenlosen und die Überwindung ländlicher Armut mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt.

Krishnammal und ihr Ehemann Sankaralingam Jagannathan setzen sich seit 1950 für Dalits ("Kastenlose") ein. 1981 gründeten sie die Nichtregierungsorganisation LAFTI (Land for tillers' freedom), die bisher über 13.000 landlose Familien den Kauf von insgesamt 5.400 ha Land ermöglicht hat. Die ASW unterstützt die Arbeit der von Gandhi inspirierten Inderin und ihrer Organisation LAFTI seit 1968, aktuell mit einem Projekt gegen industrielle Shrimpsfarmen. Bei den Veranstaltungen der Rundreise wird Krishnammal über die Sicherung der Ernährung, die Arbeit für die Menschenrechte von kastenlosen Kleinbauern und den Protest gegen industrielle Shrimps-Farmen berichten.

 

ASW: Wie hängt der Einsatz Ihrer Organisation für die Menschenrechte von kastenlosen Bauern mit Ernährungssicherheit zusammen?

Krishnammal Jagannathan: Ich glaube fest daran, dass Ernährungssicherheit niemals erreicht werden kann, wenn sich das Land zur Nahrungsproduktion nicht in den Händen der Armen, Marginalisierten und eigentlichen Bearbeitern des Landes befindet. Deshalb konzentriert sich LAFTI darauf, die Armen auf dem Land zu befreien und ihnen nachhaltige Nahrungssicherheit zu ermöglichen, indem sie BesitzerInnen des Landes werden.

Sie haben es geschafft, dass 13.000 Familien in Ihrer Region einen Acre (rund 0,4 Hektar) Ackerland erwerben konnten. Ist ein Acre genug, um die Familien vor dem Hunger zu bewahren?

Normalerweise reicht ein Acre Ackerland nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Aber unsere Gegend liegt im Kaveri-Flussdelta in Tamil Nadu. Der Kaveri führt das ganze Jahr über Wasser. Die Familien können, durch Fruchtfolge von Getreide und Hülsenfrüchten, problemlos drei Saaten in einem Jahr ausbringen. Die meisten erwirtschaften sogar einen Überschuss, den sie auf lokalen Märkten verkaufen können. Von dem Erlös erwerben sie eine Milchkuh oder eine Ziege und verbessern mit der Milch ihre Ernährung. Andere Familien haben noch mehr Land dazu gekauft und sind dadurch unabhängiger geworden.

Was bauen die BäuerInnen an?

Die Farmer bauen Reis und Hülsenfrüchte an. Zum Beispiel Dals, das sind Bohnen, Erbsen und Linsen, und manchmal Trockenhirse oder Gemüse.

Und welche Produkte werden vornehmlich verkauft?

Vor allem Reishalme oder Reis. LAFTI-Teams helfen den BäuerInnen dabei, besonders beim Marketing, damit sie einen guten Preis für ihre Produkte bekommen. LAFTI ermutigt die BäuerInnen auch dazu, Biodünger und Bio-Pflanzenschutzmittel einzusetzen, weil das die Ausgaben reduziert und sich die Produkte zu einem besseren Preis verkaufen lassen.

Wie sieht es mit Ernährungssouveränität aus? Bezieht sich LAFTI auf dieses Konzept?

Auf jeden Fall! Der Name von LAFTI, Land for the Tillers (Land für Landarbeiter), bezieht sich auf das Recht der BäuerInnen auf ihr eigenes Land. Dieser Ansatz zieht fundamentale Veränderungen nach sich und zwar in allen Bereichen rund um Ernährungssouveränität. Landlose ArbeiterInnen mussten früher von 5.30 Uhr am Morgen bis 18.30 Uhr abends arbeiten, wortwörtlich vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Sie arbeiteten zwangsweise auf den Farmen der Landbesitzer. Sie warteten jeden Tag geduldig bis 20.30 Uhr, um ihre kärglichen Tageslöhne zu erhalten. Diese Sklaverei wurde von LAFTI abgeschafft, indem Land für die BäuerInnen zur Verfügung gestellt wurde, um sie aus den Klauen der Landlords zu befreien. Ich fühle ganz stark, dass BäuerInnen Souveränität über ihr Land brauchen, so wie Nationen Souveränität besitzen. Und nur das kann das Leben der ländlichen Armen fundamental verändern.

Frauen sind besonders wichtig, um die ländliche Entwicklung voranzutreiben, erhalten von LAFTI auch Besitztitel über das erworbene Land?

Ja, natürlich. Besitz ist in den Händen der Frauen sicherer. Besonders im ländlichen Indien, wo Alkoholismus unter den Männern zügellos wuchert, was eine der häufigsten Ursachen für Verschuldung und den Verlust von Land bei der armen, ländlichen Bevölkerung ist. Wenn die Landtitel auf den Namen der Frau ausgestellt werden, ist nicht nur der Besitz sicherer, sondern diese Frauen können bei wirtschaftlichen Entscheidungen in der Familie auch besser mitreden. LAFTI stellt auch die Besitztitel über Häuser, die in unserem partizipativen Hausbauprojekt gebaut wurden, auf den Namen der Frau aus. Das bedeutet Empowerment für Frauen!

Was genau tun Sie im Ziegenprojekt? Hat das auch mit Ernährungssicherheit zu tun?

Die Leute kaufen sich selber Ziegen oder andere Milchtiere mit den Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Überschüsse. Das gibt ihnen mehr Unabhängigkeit. Die Tiere sind eine zusätzliche Einnahmequelle während der landwirtschaftlichen Nebensaison. MitarbeiterInnen von LAFTI helfen bei der Auswahl der Ziegenrasse oder der anderen Milchtiere. Die Milch der Ziegen ist eine gute Proteinquelle und die Tiere sind einfach in der Haltung, da sie, im Gegensatz zu Kühen, alle Pflanzensorten in der Umgebung fressen und sie keine weitere Pflege benötigen. Bei religiösen und kulturellen Festivitäten ist es Brauch, traditionell im Namen Gottes Vieh zu opfern. Die ganze Gemeinschaft kommt dann zusammen und teilt das Fleisch. Inspiriert von Ramalinga, einem Dichter und Heiligen des späten 19. Jahrhunderts aus Tamil Nadu, setze ich mich dafür ein, das Töten von Tieren und das Opfern für Gott zu verhindern. Stattdessen animiere ich die Leute zum Konsum von Ziegenmilch, da sie einen fast schon medizinischen Wert hat.

Was ist mit den Familien, die sich nicht selbst eine Ziege kaufen können?

Manchmal, wenn Familien nicht genügend Reserven haben, gewähren LAFTI-Teams Mikrokredite, vermittelt durch Frauenselbsthilfegruppen. Die Frauen können damit Ziegen oder anderes Milchvieh erwerben oder einen handwerklichen Betrieb wie eine Weberei oder Schneiderei starten. Diese Aktivitäten dienen nicht nur der Ernährungssicherheit, sondern auch dem sonstigen Lebensunterhalt.

Was hat die Arbeit von LAFTI bisher bewirkt?

Neulich kam ein Mann aus einer LAFTI-Partnerfamilie zu mir und lud mich zu einer Hochzeit ein. In der Hochzeitseinladung nannte er sich selbst stolz „Landbesitzer“. Die Familie hatte mit Hilfe von LAFTI einen Acre Land erhalten und der Mann hat später einen weiteren Acre Land erworben. Nun kann er die Hochzeit seiner Tochter durchführen, ohne sich zu verschulden. Das ist eine fantastische soziale und ökonomische Umwälzung. Das ist genau das, wovor sich die Landlords in der LAFTI-Region gefürchtet hatten. Sie wollten die landlosen Armen niemals LandbesitzerInnen werden lassen und sie befreit sehen. Jetzt, dank der Anstrengungen von LAFTI-Teams und der Kraft der Menschen von Ost-Tanjore, geschieht eine stille soziale und ökonomische Transformation. Dieser Prozess ist unumkehrbar. Die Frauen in der Region sind aufgewacht. Die Landlords kamen in diese Region aus dem Nachbarstaat Andhra Pradesh. Die Landlords gaben sich als Nachfahren des Königs aus und beanspruchten und besaßen deshalb nicht nur das gesamte Land, sondern hielten die kleinbäuerliche Bevölkerung durch Terror und Unterjochung in einem Schwebezustand, der von extremer Unsicherheit geprägt war.

Ich bin froh, dass diese Situation sich langsam verändert, und dass dieselben Landlords zu mir kommen und ihre Ländereien zu einem subventionierten Preis anbieten. Diese Grundstücke können wir dann unter der landlosen, armen Bevölkerung verteilen. Swami Ramalinga, der schon genannte Dichter und Heilige des späten 19. Jahrhunderts, prägte die Redewendung "alles ist möglich". Es war ein langer Kampf bis hierher, aber letztendlich ist für die entschlossenen und hart arbeitenden Menschen in der Gegend von Tanjore alles möglich.

"Genug für alle: Nahrung ist ein Menschenrecht!"

Veranstaltungsreihe mit der Alternativen Nobelpreisträgerin Krishnammal

Krishnammal Jagannathan wird vom 19.5. - 28.5.2009 auf acht öffentlichen Veranstaltungen über ihr lebenslanges Engagement zur Überwindung von Hunger und ländlicher Armut berichten. Parallel wird die ASW-Ausstellung "Genug für alle: Nahrung ist ein Menschenrecht!" gezeigt.

19.5.09/19.30 h Dortmund: Evangelische Kirche Dortmund Brackel, Brackeler Hellweg 142, 44309 Dortmund. In Kooperation mit: Weltgruppe Brackel

20.5.09/19.30 h Hannover: Pavillon - Kultur- und Kommunikationszentrum Lister Meile 4, 30161 Hannover. In Kooperation mit: Verband Enwicklungspolitik Niedersachsen e.V.

21.5.09/19 h Witzenhausen: Universität Kassel Zeichensaal, FB Ökologische Agrarwissenschaften, Steinstr. 19, 37217 Witzenhausen. In Kooperation mit: Eine-Welt-Laden Witzenhausen / DITSL / FB Ökol. Agrarwiss.

23.5.09/11.00 h Bremen: Deutscher Evangelischer Kirchentag
Markt der Möglichkeiten/Marktbereich 3 „Eine Welt“
Konsul-Smidt-Straße/ Schuppen 1, 28217 Bremen

24.5.09/18.00 h Schwäbisch Hall: Hospitalkirche
Am Spitalbach, 74523 Schwäbisch Hall
In Kooperation mit: Hällisch-Fränkisches Museum/Soroptimist International Schwäbisch Hall

25.5.09/20.00 h Stuttgart: Forum 3
Gymnasiumstr. 21, 70173 Stuttgart

27.5./20.00 h Köln: Allerweltshaus
Körnerstr. 77-79, 50823 Köln

28.5.09/19.30 h Berlin: tazcafé
Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin
In Kooperation mit: Zukunftsstiftung Landwirtschaft

 

 

Informationen und Bildanfragen über die Pressestelle: Claudia Fix, Vassilios Saroglou
Telefon: 030 - 25 94 08 06/ 25 94 08 01 oder 0178-70 31 511
claudia.fix@aswnet.de / www.aswnet.de

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