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18. Januar 2001. Nachrichten: Natur & Umwelt - Indien Verheerendes Erdbeben am indischen Nationalfeiertag

Am Morgen des 26. Januar 2001 wurde Südasien von einem der schwersten Erdbeben der letzten 100 Jahre erschüttert. Das Beben der Stärke 7,9 auf der Richterskala ereignete sich um 8:46 Uhr Ortszeit und ließ die Erde etwa eine Minute erzittern. Das Epizentrum des Erdstoßes lag nahe der Stadt Bhuj im indischen Unionsstaat Gujarat, wo die schlimmsten Verwüstungen zu beklagen waren.

Binnen Sekunden forderten zusammenstürzende Häuser über 35.000 Todesopfer. Zehntausende trugen zum Teil schwerste Verletzungen davon, und 600.000 Menschen wurden obdachlos. In Bhuj wurde eine Schulklasse während ihrer Parade zum Republic Day unter den Trümmern zusammenbrechender Häuser begraben. In der Vier-Millionen-Stadt Ahmedabad fielen neue Wohnanlagen wie Kartenhäuser in sich zusammen. In weiten Teilen des Katastrophengebietes kollabierte die Infrastruktur. Abgelegene Gebiete waren tagelang von der Außenwelt abgeschnitten und in Zentren der wirtschaftlich bedeutenden Region wurden Industrie- und Hafenanlagen zerstört.

Auch im benachbarten Pakistan richtete das Beben Zerstörungen an: in der Millionenstadt Hyderabad stürzten mehrere Häuser ein und 15 Menschen starben. Die Erschütterungen waren noch in Südindien, Nepal und Bengalen zu spüren.

Das Kabinett in New Delhi traf noch am selben Tag zu einer Krisensitzung zusammen. Ungeachtet der Katastrophe fand die traditionelle Parade zum Tag der Republik statt. Ein Sprecher begründete die Entscheidung mit der Furcht vor dem Ausbruch einer Massenpanik. Nach einer Reise ins Notstandsgebiet versprach Premierminister A.B. Vajpayee 107,6 Mio. Dollar Hilfe für die Opfer.

In Gujarat kampieren die Überlebenden im Freien, während die Erde immer wieder nachbebt. Nachts sinken die Temperaturen auf 7° C. Trotz des Wissens um die Gefahr waren die Zivilbehörden unvorbereitet und hilflos. In den Notstandsgebieten rückte die Armee aus, um bei den Rettungsarbeiten zu helfen und Plünderungen zu verhindern. Tausende Zivilisten halfen bei der Bergung der Toten und Verletzten. Gujaratis aus ganz Indien kehrten in ihre Heimat zurück, um sich zu engagieren. Wie bei anderen Naturkatastrophen und Großunfällen waren die Freiwilligen der hindunationalistischen Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh an vorderster Stelle beim Hilfseinsatz - teilweise vor Eintreffen staatlicher Kräfte.

Zahlreiche Staaten boten Hilfe an. Auch Pakistan bekundete seine Bereitschaft, den verfeindeten Nachbarn zu unterstützen. Nach einigem Zögern nahm Indien das Angebot an, und Islamabad schickte zwei Maschinen voller Hilfsgüter. Die deutsche Bundesregierung stellte drei Millionen DM bereit und entsandte Rettungsteams des Technischen Hilfswerkes. Weitere sechs Millionen DM stellte die Europäische Union zur Verfügung. Während Air India die internationalen Hilfsgüter kostenlos einflog, verteilte die indische Luftwaffe die Zelte, Nahrungsmittel und Wasseraufbereitungsanlagen in den zerstörten Gebiete.

Wenige Tage nach dem Beben beantragte die indische Regierung bei der Weltbank und der Asian Development Bank Kredite zur Hilfe beim Wiederaufbau in Höhe von umgerechnet 3,2 Milliarden DM. Zudem deutete sie die Einführung einer Sondersteuer an.

Das Katastrophengebiet liegt in einer chronischen Bebenregion entlang einer Kollisionszone zwischen der indischen und der euro-asiatischen Kontinentalplatte, die sich von der Küste bis hoch zum Himalaya und der dichtbesiedelten Gangesebene zieht.

Ähnlich wie nach dem schweren türkischen Beben von 1999 warfen Kritiker indischen Behörden und Bauherren die Nichtbeachtung von Vorschriften vor, die Vorsichtsmaßnahmen für Erdbeben vorsahen. Die Verheerungen des Bebens waren somit nicht nur eine natürliche, sondern auch eine menschgemachte Katastrophe.

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